Parteienverbot, Polizeimaßnahmen – der Staat könnte gegen die AfD-Nazis vorgehen, ein verlässlicher Partner im antifaschistischen Kampf ist er aber nicht, meint unsere Autorin Ada Aap
Verbotsverfahren gegen die AfD? Klingt plausibel: Wer würde die Faschisten noch wählen, wenn sie morgen schon verboten sein könnten. Allerdings hat die Sache einen gewaltigen Haken; unsere laut Bundesverfassungsgericht (BVG) »wehrhafte Demokratie« ist an eben diesem Gericht, wenn es Nazi-Parteien verbieten sollte, meist gescheitert.
Zwei Verbotsanträgen gegen die faschistische NPD hat das BVG eine Abfuhr erteilt, 2003 aus »Verfahrensgründen«, 2017, weil es keine »Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele« erkennen wollte. Zumindest 2003 unterstützte das Urteil die NPD, die ihren Stimmenanteil bei den Bundestagswahlen von 2005 vervierfachen konnte. Obwohl das Wahlergebnis mit 1,6 Prozent deutlich unter der Fünfprozenthürde blieb, stärkte das Gericht mit seinem Urteil die Durchsetzungskraft der Nazis, statt sie zu schwächen. 2017 hatte die AfD der NPD bereits den Rang abgelaufen.
Nun müsste aber auch der Inlandsgeheimdienst – beschönigend ›Verfassungsschutz‹ genannt – genug Beweise für ein Verbotsverfahren gegen eine Partei sammeln. Aber der Geheimdienst ist keineswegs verfassungstreu, wie sein offizieller Name vermuten ließe. Hans-Georg Maaßen, sein Präsident von 2012 bis 2018, hat 2015 die AfD beraten, wie sie Beobachtungen durch seine Behörde entgehen kann, 2016 eine Befassung seiner Behörde mit der AfD ausgebremst und 2018 die Hetzjagden auf Migranten in Chemnitz geleugnet, um gleichzeitig auf Twitter von einem »eliminatorischen Rassismus gegen Weiße« »im politisch-medialen Raum« zu schwadronieren.
Mehr noch, der Geheimdienst hat den Aufbau zahlreicher faschistischer Organisationen durch sein dubioses V-Leute-System mit Steuergeldern finanziert. So erhielt der Nazi-Kader Tino Brandt als V-Mann ›Otto‹ von 1996 bis 2001 rund 200 000 D-Mark von der Behörde, die er unter anderem in den Aufbau des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes steckte – der Organisation aus der 1999 die Terrorgruppe NSU hervorging. Der 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen verurteilte Brandt ist nur einer von vielen – und das V-Leute-System läuft weiter wie geschmiert.
Bei der Serie von Mordanschlägen auf Migrantinnen und Migranten durch den NSU von 2000 bis 2006 lenkte die Polizei die Ermittlungen bewusst in eine falsche – rassistische – Richtung, einmal war ein Mitarbeiter des Geheimdienstes bei der Erschießung eines Opfers am Tatort, andere Male in unmittelbarer Nähe. Nach dem Auffliegen des Skandals starben Zeugen vor ihrer Vernehmung zum Teil auf ungeklärte Weise. Und der Inlandsgeheimdienst schredderte Akten, ehe noch Untersuchungsauschüsse ihre Arbeit aufnehmen konnten.
Auch in der Polizei ist Rechtsextremismus ein erhebliches Problem: Todesfälle in Polizeigewahrsam, rechtsradikale Chatgruppen, die Drohschreiben des NSU 2.0 und die Vernetzung von Beamten mit faschistischen Gruppen zeugen davon. Nach Recherchen des Magazins Stern ermitteln die Landesinnenministerien derzeit gegen mindestens 400 Polizisten wegen Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung – für den Kriminologen Tobias Singelnstein allerdings »nur die Spitze des Eisbergs«.
Gegen militante Nazis gehen die Staatsorgane nur vor, wenn ihr Agieren den eigenen Interessen zuwider läuft oder die Öffentlichkeit aufmerksam geworden ist. Warum lässt der Staat also faschistische Organisationen nicht nur gewähren, sondern fördert sie zum Teil sogar aktiv?
Zum einen sind die Gründe geschichtlicher Natur: 1956 übernahm der Bundesnachrichtendienst die von der NATO gegründeten Stay-behind-Organisationen – paramilitärische Verbände, die bei einer Invasion von Truppen des Warschauer Paktes hinter deren Linien eingesetzt werden sollten und meist aus Nazis rekrutiert wurden. Die Zusammenarbeit erwies sich im Lauf der Zeit als nützlich für Staat und Regierung. Die Faschisten können Aufgaben übernehmen, deren Erledigung durch die Polizei illegal wäre. So konnte die Regierung Kohl 1992 das Asylrecht zum ersten Mal aushöhlen, weil sie sich auf die rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen berief, die von westdeutschen Nazi-Kadern organisiert worden waren. Dazu ist der Faschismus auch immer noch eine Herrschaftsoption für die Elite, wenn der Parlamentarismus nicht mehr in ihrem Sinn funktioniert, wie 1933.
Im Kampf gegen die Faschisten können wir uns nicht auf einen Staat verlassen, der die Nazis so gern nutzt. Im Gegenteil, er wird seine Polizei auf uns hetzen, wenn wir gegen AfD & Co aktiv werden. Antifa heißt: Selber machen und am Staat vorbei.