Israels Attentate im Libanon bedrohen den gesamten Nahen Osten mit Tod und Zerstörung. Ein Kommentar von Arthur Townend
Nur einen Tag nach der Zündung von Sprengsätzen in Pagern hat der Mossad am Mittwoch eine zweite tödliche Attentatsserie im Libanon verübt. Israel zündete Sprengsätze in Walkie-Talkies, die von der Hisbollah benutzt wurden. Mitarbeiter des Gesundheitswesens hatten gerade die Überführung der Opfer der ersten Serie ins Krankenhaus abgeschlossen, als die nächste Runde von Explosionen erfolgte.
Videos zeigen, wie ein Mitglied der Hisbollah in der libanesischen Hauptstadt Beirut bei der Beerdigung von vier Menschen, die Israel bei den Pager-Attentaten getötet hatte, von einer Explosion schwer verletzt wird. Der Mossad hatte Sprengstoff in eine Lieferung von 5 000 Pagern eingebaut, die von der Widerstandsgruppe Hisbollah zur Kommunikation genutzt wurden. Bei dem Terroranschlag wurden im gesamten Libanon mindestens 30 Menschen getötet und über 3 000 verletzt. Der Mossad habe den Sprengstoff »auf der Produktionsebene« in die Pager eingebaut, sagte eine libanesische Geheimdienstquelle der Nachrichtenagentur Reuters. US-Beamte und andere Behördenvertreter, die mit der New York Times sprachen, sagten das gleiche.
Die Hisbollah verwendet Pager, da sie sicherer sind als Mobiltelefone und sich schwerer orten lassen. Die Pager wurden von der taiwanesischen Firma Gold Apollo hergestellt. Gold Apollo hat bestritten, die Pager hergestellt zu haben, und behauptet, dass sie von BAC produziert wurden, einem Unternehmen in Europa, das die Rechte hat, unter dem Namen von Gold Apollo zu produzieren.
Israel hat sich noch nicht zu dem Angriff geäußert oder ihn für sich reklamiert. Aber Keren Elazari, ein israelischer Cybersicherheits-Experte, prahlte: »Dieser Angriff hat sie an ihrer Achillesferse getroffen, weil sie ein zentrales Kommunikationsmittel ausgeschaltet haben. Wir haben diese Art von Geräten, Pager, schon früher ins Visier genommen, aber nicht bei einem so ausgeklügelten Angriff.«
Elijah Magnier, ein Sachverständiger für Militär und Politik, erklärte: »Es gibt einen Sprengstoff – eine Art PETN –, der in den elektronischen Schaltkreis des Pagers eingebettet wurde. Das zeigt ein hohes Maß an technischem Know-how und die Beteiligung eines staatlichen Geheimdienstes.« Magnier fügte hinzu, dass die Pager fast drei Monate lang im Hafen festgehalten wurden, da derartige Sendungen in den Libanon verboten sind. »Und laut den Ermittlungen der Hisbollah war das genug Zeit für die Israelis, den hochexplosiven Sprengstoff zu platzieren«, sagte er.
Etwa 300 Menschen verloren beide Hände, 150 Teile ihres Magens und viele Menschen ihre Augen. Dan Sabbagh, Redakteur für Verteidigung und Sicherheit bei der britischen Tageszeitung Guardian, sagte, es handele sich »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Operation des Mossad«. »Der israelische Geheimdienst ermordet schon seit Jahrzehnten Hamas- und Hisbollah-Führer«, sagte er. »Aber wenn sich seine Beteiligung bestätigt, stellt dies eine erhebliche Eskalation dar.«
Nach der Ermordung des Hisbollah-Führers Fuad Shukr im Libanon im Juli hatte Israel Städte in Syrien bombardiert. Der Angriff erfolgte, nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt hatte, israelische Siedler müssten in das Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon zurückkehren können. Sie waren nach Angriffen der Hisbollah evakuiert worden. Am Montag sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant, dass »sich das Möglichkeitsfenster für eine Einigung schließt, da die Hisbollah sich weiterhin an die Hamas ›bindet‹ und sich weigert, den Konflikt zu beenden«. »Daher ist die einzige Möglichkeit, die Rückkehr der Siedler-Gemeinden in den Norden Israels in ihre Häuser sicherzustellen, eine militärische Aktion«, sagte er.
Die Hisbollah hat erklärt, Israel werde »seine gerechte Strafe« erhalten, und der libanesische Informationsminister Ziad Makary verurteilte den Angriff als »israelische Aggression«. Die Kataib Hisbollah, eine prominente, vom Iran unterstützte bewaffnete Gruppe im Irak, hat der libanesischen Hisbollah nach den Angriffen Unterstützung angeboten. Das könnte bedeuten, dass der Iran in eine Eskalation hineingezogen wird.
Dieser jüngste Angriff ist eine Fortsetzung der Strategie Israels, durch die Ausweitung des Krieges mehr Unterstützung aus dem Westen zu erhalten. Die USA, Großbritannien und Deutschland unterstützen Israel, weil es ein Vorposten des Imperialismus im Nahen Osten ist, und finanzieren und decken den Völkermord an den Palästinensern. Doch zwischen der israelischen und der US-Regierung gibt es Spannungen. Das liegt nicht daran, dass den USA das Leben der Palästinenser am Herzen liegt – vielmehr fürchten sie, dass der Völkermord in arabischen Staaten wie Ägypten Widerstand auslösen könnte. Wenn dieser Widerstand die westlich orientierten Regime stürzen würde, wäre die Vorherrschaft der USA in der Region gefährdet. Als Reaktion auf diese Spannungen hat Israel versucht, den Krieg auszuweiten, um die Unterstützung der USA und den Zustrom von Waffen zu sichern. Israel – und seine westlichen Unterstützer – sind für jede Eskalation verantwortlich.
Israel launches second deadly round of assassinations in Lebanon