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Union Busting beim Unternehmen Flink in Freiburg

Arbeitskämpfe & Gewerkschaft / 27. Februar 2025

„Der Tag, an dem wir beschlossen, einen Betriebsrat zu gründen, wird mir immer in Erinnerung bleiben.“

Interview mit einem ehemaligen Angestellten von Flink Freiburg

Ehemalige Mitarbeitende – sogenannte „Riders“ – haben am Samstag, den 15.2. einen Protest gegen die Wiedereröffnung der Niederlassung des Flink-Lieferdienstes in Freiburg organisiert. Als RL haben wir den Protest unterstützt.

Freiburg war ursprünglich einer der erfolgreichsten Standorte des Lieferdiensts, bis 2023, als das Unternehmen angesichts der Bemühungen einiger seiner Angestellten, einen Betriebsrat zu gründen, sein wahres Gesicht zeigte: Kurz bevor die Betriebsratswahl stattfinden sollte, wurde der Standort dicht gemacht. Nun soll er neu eröffnet werden.

Flink ist ein in mehreren Ländern agierendes Start-up-Unternehmen für Lebensmittel-Lieferdienste, das 2020 während der Covid19-Pandemie gegründet wurde. Seitdem hat es sich zu einem der führenden Anbieter im Bereich der schnellen Lebensmittellieferung entwickelt. Über ihre App können die Kundinnen und Kunden aus einer Auswahl von Waren des täglichen Bedarfs auswählen, die dann „innerhalb von Minuten“ geliefert werden. Das Unternehmen nutzt sogenannte „Dark Stores“: Lagerhäuser, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, und Fahrradkuriere, die die Bestellungen bei jedem Wetter schnell ausliefern.

RL Freiburg hat ehemalige Angestellte getroffen, um mehr über ihre Kämpfe zu erfahren und um zu verstehen, warum sie nach über einem Jahr wieder aktiv sind.

RL Fr:  Könntet ihr uns einen kurzen Überblick darüber geben, was seit 2023 passiert ist? Was war eure Strategie, und wie hat das Flink-Management reagiert?

Im Jahr 2023 herrschte unter den Zustellerinnen und Zustellern bei Flink Freiburg Unzufriedenheit. Die Fahrer kämpften mit den hohen Anforderungen an die Liefergeschwindigkeit und dem Gewicht großer Aufträge sowie mit willkürlichen Schichtwechseln und Entlassungen. Unter einigen von uns gab es daraufhin die Initiative, einen Betriebsrat zu gründen, was ja schließlich legal ist in Deutschland. Der Konflikt war nicht groß genug, um einen wilden Streik anzuzetteln, wie ihn die Riders in Berlin im Sommer und Herbst 2021 gegen das Unternehmen Gorillas organisierten. Unsere Kolleginnen und Kollegen waren unzufrieden, aber nicht genug, um eine größere Konfrontation zu provozieren.

Wir, ein Kernteam von drei Personen, waren aktiv und informierten die Leute, während die Geschäftsleitung versuchte, herauszufinden, wer wir waren. Nachdem es zu einem kleinen Streit kam, erfuhr die Geschäftsleitung, dass ein Betriebsrat vorgeschlagen wird. Daraufhin haben wir die offiziellen Schritte zur Gründung eines Betriebsrats eingeleitet und am 6. Oktober 2023 eine Wahl abgehalten. Eine Mehrheit stimmte für den Betriebsrat (29 von 37 Beschäftigten)! Es gab also eindeutig Unterstützung für unsere Bemühungen, auch wenn sich nicht viele engagierten. Nach der Abstimmung begannen wir mit der Organisation von Wahlen für den Betriebsrat, der am 16. Oktober 2023 stattfinden sollte und mehrere Beschäftigte kandidierten für den Betriebsrat. Aber das ist leider der Punkt, an dem die Geschäftsleitung gehandelt hat. Flink schloss die Freiburger Filiale am 13.10.2023 durch ein spontanes Zoom-Gespräch mit dem Regionalleiter und setzte ca. 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor die Tür. Alle unsere Fragen wurden abgewiesen und die Türen des Lagers noch am selben Tag verschlossen. Als Grund für die Schließung gab das Unternehmen damals hohe Mietkosten an.

RL Fr: Wie war das für euch, zusammen einen Betriebsrat zu gründen bevor das Unternehmen den Laden dicht gemacht hat?

Der Tag, an dem etwa 40 von uns Flink-Mitarbeitenden in einem Raum zusammenkamen, debattierten, diskutierten, unsere Erfahrungen austauschten und schließlich beschlossen, einen Betriebsrat zu gründen, wird mir immer in Erinnerung bleiben. Ich hatte diese unglaubliche Erkenntnis: Wow, ich kann mich mit Leuten zusammentun, und wir können tatsächlich etwas tun, etwas verändern. Das war ein tiefes Gefühl. Wie eine Offenbarung.

RL Fr: Welche Auswirkungen hatte die plötzliche Schließung von Flink auf eure Mobilisierungsbemühungen?

Wir, der organisierende Kern, sahen in der Gründung eines Betriebsrats einen ersten Schritt auf dem Weg zu größeren Mobilisierungen. Aber als Flink den Standort schloss, dachten leider viele, dass die Schließung nichts mit „union busting“ also der gezielten Unterdrückung der Gründung von Arbeitnehmervertretungen, zu tun hätte.

RL Fr: Der Zeitpunkt der Schließung des eigentlich erfolgreichen Standorts in Freiburg legt nahe, dass es sich hier um union busting handelt. In Vorbereitung auf unser Gespräch habe ich gelesen, dass ihr Flink vor Gericht wegen der Schließung verklagt habt.

Ja, wir haben geklagt und verloren, und im Moment gibt es für uns keine Möglichkeit, sie erneut vor Gericht anzufechten. Zwei von uns hatten rechtliche Schritte eingeleitet, um die Schließung des Standorts anzufechten. In unserer Anfechtung argumentierten wir, dass die jüngsten Renovierungsarbeiten an dem Zentrum auf längerfristige Pläne hindeuteten. Außerdem sind noch in der Woche vor der Schließung weiterhin neue Fahrerinnen und Fahrer eingestellt worden. Das Arbeitsgericht Freiburg sah dies jedoch nicht als ausreichenden Beweis an, und Flink kam straffrei davon.

RL Fr: Wer arbeitet für Flink und wie wirkt sich das auf die Organisation aus?

Flink nutzt die Situation seiner Angestellten aus. Die meisten sind ausländische Studierende, die nicht viele Möglichkeiten haben, neben dem Studium zu arbeiten. Flink kann sie leichter entlassen und sie wie Dreck behandeln. Sie sind hier, um zu studieren und Geld zu verdienen, und versuchen, Situationen zu vermeiden, die sie als Migrantinnen und Migranten in Gefahr bringen würden. Viele sind in Deutschland, um Fächer wie Mathematik oder Ingenieurwesen zu studieren. Es sind Studierende, die in ihren Heimatländern oft gute Lebensbedingungen haben. Aber es waren auch deutsche Studierende unter den Angestellten und ein Geflüchteter.

RL Fr: Danke für das Interview! Wir sind solidarisch mit euch und allen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verloren haben!

 

 











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