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Die imperialistischen Mächte sortieren ihre Fronten neu

Deutschland / International / 4. März 2025

Krieg wird nicht durch Aufrüstung gestoppt, sondern durch Revolution

 

17 Thesen zur neuen Weltordnung

1. US-Präsident Donald Trump hat sich im Ukrainekonflikt auf Seiten Russlands gestellt, Verhandlungen mit Putin ohne Beteiligung der Ukraine und dessen Präsidenten Selenski vor den Medien der Welt faktisch zur Kapitulation aufgefordert. Die europäischen Mächte sind geschockt – weil die Trump-Regierung sie damit wie Feinde behandelt. Die US-Wende im Ukrainekrieg signalisiert den Bruch mit der bisher bestehenden Weltordnung. Wir treten ein in eine Phase, in der die Kräfteverhältnisse zwischen den kapitalistischen Staaten neu bestimmt werden.

2. Im Kapitalismus werden die Kräfte zwischen Staaten durch Gewalt oder durch die Androhung von Gewalt bestimmt. Trump spricht davon, dass er den Frieden in der Ukraine erzwingen will. Tatsächlich geht es nur darum, die Grenzen entsprechend der momentanen Kräfteverhältnisse zu verändern, um dann das Land und seine Bodenschätze auszuplündern. Die ukrainische Bevölkerung ist die Leidtragende eines solchen imperialistischen Friedens. Er selbst ist nur eine Zwischenetappe zum nächsten Krieg. Das Ringen zwischen den imperialistischen Mächten wird so lange weitergehen, bis eine oder mehrere Seiten erschöpft sind oder Revolutionen dem System ein Ende machen.

3. Die große Konfrontation, die diese Ära kennzeichnet, ist der kommende Krieg zwischen USA und China. Diesbezüglich knüpft Trumps Politik an jene der demokratischen US-Präsidenten Biden und Obama an. Noch während Trump die Verhandlungen mit Putin über die Ukraine begonnen hatte, gaben die USA bereits neue Sicherheitsversprechen an Taiwan. Die Gewinnung der Kontrolle über die Insel Taiwan ist das unmittelbare Ziel des chinesischen Imperialismus. Hintergrund ist der kometenhafte wirtschaftliche Aufstieg Chinas in den letzten dreißig Jahren. Heute ist es zur zweiten Großmacht noch vor Russland und den europäischen Mächten geworden, sieht sich aber geopolitisch in seinem Expansionsstreben von den USA und den US-Verbündeten in Ostasien beschnitten. Die Trump-Regierung hat diesen Konflikt auf die Ebene eines Handelskrieges gehoben, der früher oder später auch in einen echten Krieg eskalieren kann.

4. Ein Ziel der amerikanischen herrschenden Klasse ist es zu vermeiden, dass Russland im Falle eines Krieges mit China auf chinesischer Seite eingreift. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es unterschiedliche Strategien. Die bisherige Strategie von US-Präsident Biden war es, im Bündnis mit den europäischen Mächten Russland durch den Krieg in der Ukraine militärisch, sozial und wirtschaftlich so stark zu schwächen, dass es nicht in der Lage sein würde, China militärisch zu unterstützen. Biden fasste es so zusammen: »Wir kämpfen bis zum letzten Ukrainer.«

5. Bidens Linie im Ukrainekrieg ist in mehrfacher Hinsicht an einen toten Punkt gekommen. Militärisch muss die ukrainische Armee immer weiter zurückweichen, weil Russland mehr Menschen in den Abnutzungskrieg werfen kann und zudem von einem Wirtschaftsboom profitiert. Der internationale Absatz von Öl und Erdgas ist gestiegen, während die Kriegskredite für massive Aufrüstung und verhältnismäßig hohe Soldzahlungen die Nachfrage stimulieren. Gleichzeitig sind die Ukrainehilfen für die USA zu einer wirtschaftlichen Belastung geworden. Donald Trump fährt daher eine neue Strategie: Er stellt die Zahlungen für die Ukraine ein und versucht gleichzeitig, so viele Rohstoffe wie möglich per Erpressung aus der Ukraine herauszuholen. Er fordert, das vom Krieg erschütterte Land solle 50 Prozent der Bodenschätze zur Begleichung der Kriegsschulden an die USA abgeben.

6. Im gleichen Zug versucht Trump, Rohstoffe und andere wirtschaftliche Vorteile aus Russland zu erhalten – als Gegenleistung für politische Zugeständnisse. Dazu zählen: Keinen Nato-Beitritt der Ukraine, Anerkennung der russischen Eroberungen und Nichtbeteiligung der USA an einer militärischen Absicherung einer künftigen Demarkationslinie innerhalb der Ukraine. Diese Zugeständnisse posaunte er bereits vor Aufnahme der Verhandlungen heraus – offenbar in dem Wunsch, dass Russland nicht nur aus dem Krieg, sondern auch aus den „Friedensverhandlungen“ als eindeutiger Gewinner hervorgeht. Dies ist im Umkehrschluss als der Versuch zu werten, die europäischen Mächte dauerhaft ökonomisch und geopolitisch zu schwächen.

7. Die Regierungen in Berlin, Paris und London haben viel in den Krieg in der Ukraine investiert und Russland als Regionalmacht direkt vor der Haustür. Daher ist für sie der Krieg in der Ukraine und die Schwächung Russlands als geopolitischen Konkurrenten viel wichtiger als für die USA. Dabei geht es auch ihnen nicht um die Interessen der Ukraine oder der gar der ukrainischen Bevölkerung. Es geht darum, mit am Verhandlungstisch zu sitzen, um über die Zukunft des Landes und die Aufteilung der Beute zu sprechen.

8. Der deutsche, britische oder französische Imperialismus sind deutlich schwächer als der US-Imperialismus, das führt Trump ihnen gerade vor Augen. Das ändert nichts daran, dass auch die Regierungen in Berlin, London oder Paris imperialistische Ziele verfolgen. Sie nutzen die Ukraine und Selenski als Aushängeschild, um ihre Interessen zu verschleiern und sich als Wahrer des internationalen Rechts und des unterdrückten ukrainischen Volkes zu inszenieren. Wenn sie sagen, ein Frieden dürfe nicht ohne die Ukraine gemacht werden, dann meinen sie, dass auch sie mit am Verhandlungstisch sitzen wollen, um ihren Anteil an der Kriegsbeute zu bekommen. Dabei geht es um Rohstoffe, aber auch um die militärisch-politische Kontrolle über ein riesiges Gebiet zwischen der EU-Außengrenze und dem russischen Einflussgebiet. Die Ukraine wird nach dem Krieg dauerhaft die Rolle eine geteilten Frontstaates behalten, innerhalb dessen ausländische Mächte um Einfluss ringen.

9. Berlin, London und Paris verfolgen jeweils eigenen wirtschaftlichen Interessen, nicht selten in heftiger Konkurrenz zueinander. Aber sie sind einzeln zu schwach gegen die neue Allianz zwischen Washington und Moskau. Deshalb versuchen sie nun, eine europäische »Allianz der Willigen« zusammenzubringen. Inhalt ist ein gigantisches Aufrüstungsprogramm, in dem alle Beteiligten ihre ganz eigenen Interessen verfolgen, es aber als Akt der »europäischen Solidarität« tarnen. Linke dürfen sich von diesem ideologischen Kniff nicht täuschen lassen: es trägt genauso zu einer nicht enden wollenden, gigantische Rüstungsspirale bei, wie die amerikanischen, chinesischen und russischen Programme. Trump empört, und Putin ist ein Kriegsverbrecher. Das stimmt. Aber die Aufrüstungsspirale kann nicht durchbrochen werden, wenn wir mit unseren Herrschenden nur gegen die anderen Herrschenden wettern. Die Kriegsgegner in allen Staaten müssen mit dem Widerstand gegen die Aufrüstungsbemühungen der eigenen Herrschenden beginnen. Karl Liebknecht formulierte es im Ersten Weltkrieg so: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!«

10. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte noch am Tag der Bundestagswahl, dass er sich nicht sicher sei, ob die Nato im Juni überhaupt noch eine relevante Struktur sei. Außerdem erklärte er, dass die Einmischungen aus Washington in die deutsche Politik genauso schlimm seien wie jene aus Moskau. Bis vor kurzem war eine solche Aussage von einem führenden CDU-Politiker völlig undenkbar. Dies zeigt, dass auch in Berlin angekommen ist, dass die bisherige Weltordnung nicht mehr gilt. Erste Konsequenz aus dieser Feststellung ist der Anspruch, wieder als eigenständige Macht aufzutreten. Deutschland ist wirtschaftlich führende Macht in Europa; nach dem Wunsch von Merz sollte sie nun auch militärische Führungsmacht in Europa werden. Darin ist er sich mit der SPD als künftigem Koalitionspartner einig. Beide wollen Deutschland zu einer von den USA unabhängigen imperialistischen Macht entwickeln – das erste Mal seit dem verlorenen Zweiten Weltkrieg.

11. Um diesem Anspruch gerecht zu werden und in der Weltpolitik auch militärisch mitzuspielen zu können, soll Deutschland in einem seit 1945 nie gekannten Maße aufgerüstet und auch seine sonstige Infrastruktur »kriegstüchtig« gemacht werden. In den aktuellen Sondierungsverhandlungen von CDU/CSU und SPD heißt es dazu in einem Papier der Verhandelnden, für die Bundeswehr biete sich ein Volumen von 400 Milliarden Euro an, für ein Sondervermögen Infrastruktur „eher 400 bis 500 Milliarden Euro“. Die Lohnabhängigen in Deutschland haben kein Interesse an diesem Rüstungswahnsinn. Die gigantischen Summen füttern den globalen Rüstungswettlauf. Merz und seine Koalitionspartner werden versuchen, die Kosten durch Sozialkürzungen und andere Angriffe auf die materiellen Interessen der arbeitenden Bevölkerung so weit wie möglich zu decken.

12. Dieser weltpolitische Anspruch Deutschlands, sein wirtschaftliches Gewicht auch militärisch abbilden zu können und selbstständig interventionsfähig zu sein, ist nicht neu. Die neueste Phase mag durch Trumps aggressive Außenpolitik ausgelöst worden sein. Doch seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Bundesregierungen unter den Kanzlern Kohl, Schröder, Merkel und Scholz systematisch den Umbau der Bundeswehr vorangetrieben, damit sie wieder internationale Einsätze und Kriege im eigenen imperialistischen Interesse führen kann.

13. Zu den Meilensteinen dieser Entwicklung gehörte die Beteiligung am NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, die Einrichtung eines Einsatzführungskommandos für internationale Militärexpeditionen, die Beteiligung am Angriff und Besetzung von Afghanistan nach 2001 und die inflationäre Entsendung der Bundeswehr in Dutzende »Friedensmissionen« mit UN-Mandat in den 2010er Jahren. Jeder einzelne Einsatz wurde als »friedensschaffend« oder sonstwie gerechtfertigt. Unterm Strich ist nichts anderes als die schrittweise Gewöhnung der sogenannten öffentlichen Meinung an alles Militärische und die Beteiligung an internationalen Kriegen herausgekommen. Folge: Seit 2014 wurde der Militärhaushalt jährlich gesteigert, aber in den Medien und selbst den »kritischen« Satireshows wurde über Jahre die Lüge von einer „kaputt gesparten“ Bundeswehr verbreitet.

14. Die Bemühungen der Herrschenden in Europa, eine »Koalition der Willigen« zu finden, soll die Fortsetzung des Krieges ermöglichen und sicherstellen, dass die europäischen Vormächte Deutschland, Großbritannien und Frankreich über die Nachkriegsordnung und Beute mitverhandeln. Wichtig ist festzustellen: Eine Fortführung des imperialistischen Krieges ist kein geringeres Übel zum imperialistischen Frieden, den Trump anstrebt. Russland rückt in der Ostukraine langsam, aber stetig vor. Doch auch die Ukraine ist jederzeit bereit, russisches Territorium um Kursk zu besetzen und mit Raketen und Drohnen zivile Infrastruktur anzugreifen. Hoffnung bieten nicht die Verhandlungen der Herrschenden, sondern die Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten der Front.

15. Das Leid ist auf beiden Seiten unermesslich. Für die Rückeroberung von ein paar hundert Metern mehr oder weniger Territorium sind immer weniger Ukrainer bereit, mit ihrem Leben zu bezahlen. Alleine im letzten Jahr sind über 40.000 ukrainische Soldaten desertiert; es gab mehrere Angriffe auf Rekrutierungsbüros. Die Mehrheit der Ukrainer wollen sofortige Verhandlungen, um den Krieg so bald wie möglich zu beenden. Die Flucht von hundertausenden wehrpflichtigen Russen nach Teilmobilisierung von Putin vor zwei Jahren zeigt, dass auch in Russland Kriegsmüdigkeit herrscht. Ein sofortiger Waffenstillstand ohne Bedingungen ist in beiden Ländern mehrheitsfähig.

16. Ein bedingungsloser Waffenstillstand böte die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden. Entscheidend ist, ob in der Ukraine wie in Russland, bzw. in den von Russland besetzten Gebieten, Bewegungen gegen den Krieg und Raubfrieden und für soziale Verbesserungen entstehen. Nur im Widerstand gegen die nationalistischen Führungen und für eine Demokratie von unten kann eine ukrainische Republik entstehen, die nicht nach der Pfeife der ausländischen Geldgeber und Waffenlieferanten tanzt. Der Krieg wird letztendlich nicht durch immer mehr Waffen gestoppt, sondern durch eine Revolution in den kriegführenden Staaten.

17. Die Aufgabe von Kriegsgegnerinnen und -gegnern in Deutschland ist es, gegen die monströse Aufrüstung der Bundeswehr und die mögliche Entsendung von »Friedenstruppen« zu argumentieren – und wo möglich, zu mobilisieren. Die Ukraine und ihre Reichtümer gehören der ukrainischen Bevölkerung – nicht Putin, nicht Trump, und auch nicht den europäischen Regierungen.

***

Wir brauchen eine neue Friedensbewegung, die nicht an den Verhandlungswillen der Herrschenden appelliert, sondern sich an der Solidarisierung von den Aktiven und Kriegsmüden in der Ukraine und Russland orientiert.

Forderungen für eine solche Bewegung können sein:

1. Sofortiger Waffenstillstand, Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen.

2. Es braucht einen Schuldenschnitt für die Ukraine, damit der Wiederaufbau ohne Abhängigkeit von Berlin, Washington und Moskau stattfinden kann.

3. Aus dem gleichen Grund müssen alle Rohstoffe und Bodenschätze in ukrainischer Hand bleiben.

4. Die Länder, die den Krieg über drei Jahre geführt oder immer wieder mit Waffenlieferungen angefacht haben, leisten Unterstützung beim Wiederaufbau ohne Gegenleistungen von Seiten der Ukraine.

5. Keine Aufrüstung der Bundeswehr; keine Entsendung der Bundeswehr auf ukrainisches Territorium.

6. Unterstützung für alle Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in Russland und der Ukraine, zum Beispiel durch Bleiberecht und Nichtauslieferung an die Behörden in den Heimatländern.

7. Ziel muss der Abzug aller fremden Mächte aus der Ukraine sein; dies muss durch Widerstand von unten in der Ukraine und Russland erzwungen werden, nicht durch militärischen Druck.


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