Die ›Schuldenbremse‹ muss weg!
Ampel kürzt 17 Milliarden – bei Armen, Bauern und Lohnabhängigen
Die Unpopularität der Bundesregierung hat mit Jahresbeginn neue Spitzenwerte erreicht. Grund ist der Haushalt, den die Ampelparteien für 2024 verabschiedet haben. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts meinten die Ampelparteien plötzlich Milliarden Euro einsparen zu müssen – auf Kosten von Lohnabhängigen, Bauern und Arbeitslosen. Karl Naujoks erklärt die Hintergründe.
Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen November entschieden, dass die Übertragung sogenannter Corona-Mittel in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den sogenannten ›Klima und Transformationsfonds‹ (KTF) verfassungswidrig sei. Der KTF war einer von mehreren sogenannten Schattenhaushalten, die geschaffen worden sind, um die sogenannte ›Schuldenbremse‹ zu umgehen.
Zum Hintergrund: 2009 hatten CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit einen Grundgesetzartikel reformiert und so das Verbot kreditfinanzierter Ausgaben in die Verfassung geschrieben. Seitdem ist es praktisch unmöglich, für Ausgaben aus dem regulären Bundeshaushalt größere Kredite aufzunehmen – weder für Investitionsvorhaben noch für Sozialmaßnahmen. Was sich ›Schuldenbremse‹ nennt, wirkt als Spardiktat für die öffentliche Haushalte und führt zur chronischen Unterfinanzierung von Schulen, Infrastruktur, sozialen Trägern, Krankenhäusern und vielem mehr. Ausgenommen bleibt einzig der Militärhaushalt, der seit zehn Jahren unaufhörlich steigt.
Kanzlerin Merkel hatte die Einführung der Schuldenbremse seinerzeit mit der ›schwäbischen Hausfrau‹ gerechtfertigt. Die wisse, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen dürfe. Das ist reine Voodoo-Ökonomie. Tatsächlich basiert nahezu die gesamte kapitalistische Wirtschaft auf Investitionen, die vorgehende Kreditaufnahme erfordert.
Der Sinn der „Schuldenbremse“
Die Schuldenbremse erfüllt für das Kapital einen doppelten Zweck. Sie hält den Geldwert stabil. Das reflektiert damit die Interessen derjenigen, deren Vermögen vorrangig auf Konten und Depots lagern. Zum anderen ist diese Politik des sogenannten ›Monetarismus‹ ein Instrument im Klassenkampf, über die die Umverteilung von unten nach oben auf dem Weg der Haushaltspolitik durchsetzen. Sparen wird als äußerer Sachzwang dargestellt.
Allerdings erwies sich diese Politik als völlig ungeeignet, angesichts des international immer stärker werdenden Standortkonkurrenz mit den USA und China, sowie der infolge des Stellvertreterkrieges mit Russland steigenden Ausgaben für Energie die Interessen der deutschen Industrie zu verteidigen. Allein der in den USA aufgelegte ›Inflation Reduction Act‹ umfasst ein Volumen von 300 Milliarden US-Dollar, mit dem die Biden-Regierung Investitionen in moderne, vermeintlich klimafreundliche Technologien subventioniert. Auch für manches deutsche Unternehmen werden die USA plötzlich ein interessanterer Standort für Investitionen als Deutschland oder die EU. Selbst ein Land wie Südkorea will mit privaten und öffentlichen Investitionen bis 2047 die gigantische Summe von umgerechnet 443 Milliarden Euro die heimische Chipindustrie zur stärksten der Welt machen.
Ein deutscher Nationalstaat, der angesichts solcher Dimensionen seine eigene Infrastruktur systematisch kaputtspart, schadet dem deutschen Kapital. Daher der Umweg über die Schattenhaushalte. Die Bundesregierung erklärte wegen Corona den Notstand und leitete in der Folge Milliarden in den KTF um, aus dem zahlreiche industriepolitische Projekte gefördert wurden. So soll der Standort Deutschland strategisch gegen die Konkurrenz aus China und USA aufgestellt werden. Dazu zählt etwa ein Zuschuss des Bundeswirtschaftsministeriums zu einer Chipfabrik des taiwanesischen Unternehmens TSMC und deutscher Partner in Dresden in Höhe von 5 Milliarden Euro; die Modernisierung der Stahlproduktion von ThyssenKrupp in Duisburg wird mit zwei Milliarden Euro gefördert.
Daneben war auch das Verkehrsministerium an zahlreichen Projekten mit Mitteln aus dem KTF beteiligt. 3,5 Milliarden Euro wurden für Projekte wie die Errichtung einer Ladestruktur für E-Autos, die Beschaffung von Bussen mit alternativen Antrieben oder der Entwicklung von Wasserstoffbrennzellen im Schwerlastverkehr veranschlagt.
Laut Karlsruher Urteil ist dieser Schattenhaushalt nun illegal. Plötzlich war das Geld angeblich ›weg‹. Tatsächlich hätte die Bundesregierung das Karlsruher Urteil sehr wohl ignorieren können, wenn sie für 2024 erneut die „Notlage“ erklärt hätte. Dies hat sie vermieden. Vielmehr hat sie im vorauseilenden Gehorsam auch noch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) infrage gestellt, der mit 200 Milliarden Euro Stützungsmaßnahmen im Energiesektor finanzieren sollte.
Der WSF wurde nun aufgelöst, seine Titel im normalen Haushalt 2024 untergebracht. Auch der KTF ist nun Teil des normalen Haushalts. Dort wartet indessen die … ›Schuldenbremse‹. Das hat zwei Folgen. Viele der Titel wurden einfach gestrichen. Der KTF wird in den kommenden Jahren um 45 Milliarden Euro gestutzt, was vor allem die Klimaprogramme treffen dürfte. Zweitens wird im aktuellen Bundeshaushalt 17 Milliarden Euro eingespart. Konkret heißt das: Der Haushalt 2024 ist ein sozialer Großangriff auf alle – nur nicht gegen die Konzerne und die Vermögenden.
Umverteilung von unten nach oben
Zu den Maßnahmen der Ampelregierung zählen:
- Höhere sogenannte CO2-Abgaben für Privathaushalte, schneller steigende Mehrwertsteuer auf Erdgas und Fernwärme. Diese indirekten Steuern treffen alle Haushalte, und damit insbesondere die Arbeitnehmer und Armen.
- Bei der Bundesanstalt für Arbeit will die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren 5,2 Milliarden Euro einsparen; der Zuschuss zu den Rentenkassen soll in Höhe von 600 Millionen Euro gekürzt werden, so dass sich die eingesparte Summe nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung bald auf mehr als 6,8 Milliarden belaufen würde. Beide Maßnahmen werden in der Zukunft dazu führen, dass die Sozialabgaben steigen, das trifft die Lohnabhängigen am stärksten. Bereits zu Jahresbeginn sind die Beiträge zu den Krankenkassen angehoben worden.
- Das versprochene Klimageld als Ausgleich für den steigenden CO2-Preis wird auf den Sanktnimmerleinstag verschoben, keine Entlastung bei der Stromrechnung durch Übernahme von Netzentgelten durch den Bund.
- Das Kindergeld wird eingefroren, dafür wird der Kinderfreibetrag angehoben. Heißt: Arbeitslose und Geringverdiener mit Kindern gehen leer aus.
- Sanktionen gegen Arbeitslose wie die Streichung von Bürgergeldleistungen sollen jedes Jahr mindestens 170 Millionen Euro einbringen.
- Die Haushaltsknappheit wird weiter anhalten. Schon wird an vielen Stellen über Sozialkürzungen diskutiert, Mittel für wichtige Investitionen in die Infrastruktur oder Bildung fehlen. Die Regionalisierungsmittel zur Unterstützung des ÖPNV werden um 350 Millionen Euro gekürzt.
In diesen Kontext müssen wir die Angriffe auf die Bauern verstehen. Die Ampel hat die Anhebung der Steuern auf Agrar-Diesel auf das allgemeine Niveau beschlossen. Diese Maßnahme, die eine Erhöhung von indirekten Steuern darstellt, hat eine Bauernprotestwelle von immensem Ausmaß zu Beginn des Jahres ausgelöst. Viele normale Arbeitnehmer haben mit den Protesten sympathisiert, weil sie die weitere Erhöhung der Lebensmittelpreise infolge der Angriffe auf die Bauern befürchten.
Dreckiges Spiel der Ampel
Die Ampelparteien fahren zwei Taktiken, um diese Maßnahmen durchzusetzen. Zum einen bemänteln sie die Anhebung von indirekten Steuern auf Kraft- und Heizstoffe als ›CO2-Bepreisung‹ und andere wohlklingende Begriffe. In Wirklichkeit bringen alle diese Maßnahmen dem Klima gar nichts. Weder stehen den Bauern für ihre Traktoren klimaneutrale Antriebe zur Verfügung, noch können Mieterinnen und Mieter plötzlich klimaneutrale Heizungen installieren.
Zum anderen werden die angegriffenen Gruppen gegeneinander ausgespielt. Insbesondere wird der Hass auf Arbeitslose geschürt, um von sich abzulenken. So war Finanzminister Lindner Mitte Januar vor aufgebrachten Bauern in Berlin nicht bereit, auch nur ein Zugeständnis beim Agrardiesel zu machen. In derselben Rede betonte er jedoch, dass auch bei Sozialleistungen gekürzt werde. Bürgergeldempfänger stellte er als Arbeitsverweigerer dar; die beschlossenen Sanktionen würden eine Milliarde Euro Einnahmen generieren.
Versteckte Milliardenvermögen
Die Antwort auf die Politik der Ampel kann nicht darin bestehen, sich auf dieses Teile-und-Herrsche-spiel einzulassen. Es ist Geld genug da. Der bestehende Schattenhaushalt für die Bundeswehr (›Sondervermögen‹) in Höhe von 100 Milliarden Euro wurde im Gegensatz zu KTF und WSF von niemanden in Bundesregierung und Medien infrage gestellt. Daneben ist der reguläre Militärhaushalt auf das Rekordniveau von rund 52 Milliarden Euro angestiegen.
Auch schwimmen die Reichen in Deutschland im Geld. Julia Jirmann und Christoph Trauvetter, zwei Forschende des ›Netzwerks Steuergerechtigkeit‹, haben im Dezember eine Studie veröffentlicht, wonach der gesamte Wert der Milliardenvermögen in Deutschland statt bisher angenommenen 900 Milliarden Euro tatsächlich 1,4 Billionen Euro beträgt. Berücksichtigt man Off-Shore-Anlagen, die Deutschland zugerechnet werden können, dürfte der Wert 2 Billionen Euro übersteigen.
Trautvetter und Jirmann entdeckten elf zusätzlich recherchierte Vermögen, die bislang der Öffentlichkeit unbekannt waren. Insgesamt identifizierten sie 212 Milliardenvermögen, die sich auf 4300 superreiche Haushalte in Deutschland verteilen.
Hintergrund: Infolge der Aussetzung der Vermögenssteuer in den 90er Jahren zahlen die Superreichen nicht nur weniger –auch die Datenlage über diese Vermögen ist mehr als lückenhaft. Sie verstecken ihr Geld, und die Ampel lässt sie damit durchkommen.
Neben der Aussetzung der Vermögensteuer hat sich überdies der Steuersatz auf nicht ausgeschüttete Gewinne seit den 90er Jahren nahezu halbiert von über 57% auf unter 30%.
Der Weg voran
Fazit: Die Ampel ist in der Krise, weil SPD und Grüne lieber den Verteilungskampf über den Haushalt gegen ihre eigenen Wählerinnen und Wähler führen, als sich mit dem Kapital anzulegen. Sie verschärfen so noch die Inflationsfolgen für die breite Bevölkerungsmehrheit – alles gerechtfertigt mit dem Spardiktat der sogenannten ›Schuldenbremse‹. Die Alternative wäre es, die direkten Steuern auf Kapitalerträge und Vermögen zu erhöhen, sowie und die Kosten für die Aufrüstung zu reduzieren.
An der Wahlurne lässt sich dies nicht durchsetzen. Der einzige Weg gegen diese unsoziale Politik ist Klassenkampf. Streiks wie jene im öffentlichen Dienst oder bei der Bahn heben das allgemeine Lohnniveau an und sind Vorbild für andere Lohnabhängige.