Waffenstillstand jetzt!
Aufhebung der Abschottung von Gaza! Stopp der deutschen Zusammenarbeit mit der israelischen Armee!
Seit Wochen bombardiert die israelische Armee Gaza. Über 11.000 Menschen wurden ermordet, viele Zehntausende verletzt, über eine Million sind auf der Flucht – innerhalb des Gazastreifens, dem größten Freiluftgefängnis der Welt. Und die Bundesregierung? Sie schweigt zu den Verbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung. Bundeskanzler Scholz sprach sich nach vier Wochen Krieg sogar explizit gegen einen Waffenstillstand aus.
Gaza ist zur „Hölle auf Erden“ geworden. Das ist keine Propaganda der Hamas. Das sind die Worte von Jens Laerke, Sprecher des UN-Amts für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Die Fakten sind so einfach wie erschütternd. Israels Streitkräfte, die viertstärkste Armee der Welt, bombardieren über Wochen eines der am dicht besiedeltesten Gebiete der Erde. Bis zum 7. November betrug laut OCHA die Sprengkraft aller Bomben das Anderthalbfache der Atombombe von Hiroshima. Die Hälfte der 222.000 Wohnungen in Gaza wurden beschädigt, mehr als 40.000 komplett zerstört. Die israelische Armee hatte bis zu diesem Zeitpunkt 278 Bildungseinrichtungen, 270 medizinische Einrichtungen, 45 Krankenwagen, 69 christliche und islamische Gotteshäuser sowie elf Bäckereien angegriffen.
Seitdem geht das Morden mit unverminderter Härte weiter. In Kollaboration mit der ägyptischen Militärdiktatur wird der Gazastreifen blockiert und von der Versorgung mit Nahrung, Wasser und Kraftstoff abgeschnitten. Dieser Krieg ist nichts als Terror gegen eine hilflose, eingesperrte Bevölkerung.
Der Zynismus des Bundeskanzlers
Man sollte erwarten, dass diese Faktenlage eindeutig genug wäre, um einen Sturm der Entrüstung durch die Bundesregierung hervorzurufen. Weit gefehlt. Bundeskanzler Scholz sagte einen Monat nach Ausbruch des Krieges: „Die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand oder einer langen Pause finde ich nicht richtig.“ Ein solcher Schritt bedeute, so Scholz, „dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll“. Die Islamisten könnten die Zeit nutzen, so Scholz, um neue Waffen anzuschaffen und Israel zu attackieren.
Die Haltung des Bundeskanzlers ist an Zynismus nicht zu überbieten. Eine Woche nach seinen Worten gab es kein Krankenhaus mehr im Gazastreifen, das funktioniert. Die palästinensische Gesundheitsministerin, Mai Al Khali, bestätigte den Tod von 12 Patienten durch den Sturm der israelischen Armee auf das Shifa-Krankenhaus, darunter zwei Neugeborene. Rund hundert Tote würden im Hof verwesen, weil das Krankenhauspersonal sie nicht mehr beerdigen kann. Insgesamt habe die israelische Armee 198 Ärzte und medizinische Fachkräfte umgebracht. MSF, die französische Sektion der Ärzte ohne Grenzen, warnte: Ohne einen Waffenstillstand würden die Krankenhäuser zu Leichenhallen werden.
Kolonialismus
In den deutschen Medien findet diese Realität nicht statt. Genauso wenig wird über die zugrundeliegenden Ursachen der Gewaltspirale gesprochen. Israel ist ein Kolonialstaat. Und dies im engeren Sinn. Der Begriff Kolonialismus stammt aus dem Französischen. Colon heißt „Siedler“. Die zionistische Bewegung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Palästina kam, um einen „ethnisch reinen“ jüdischen Staat aufzubauen, bestand aus solchen Siedlern. Ziel war und ist es, die palästinensische Bevölkerung soweit wie möglich aus ihrem eigenen Land zu verdrängen.
Ende 1946 wohnten nach UN-Angaben 1.269.000 Araber und 608.000 Juden in den Grenzen des britischen Mandatsgebietes Palästina. Sieben Prozent des Landes waren durch Kauf in jüdischem Besitz, darunter 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Nach dem UN-Teilungsplan von 1947 entfachten zionistische Milizen eine Terrorkampagne, um diesen Anteil zu erweitern. Nach dem Waffenstillstand im Jahr 1949 umfasste der Staat Israel mehr als 77 Prozent des ehemaligen palästinensischen Mandatsgebiets.
Die Palästinenserinnen und Palästinenser nennen diese Erfahrung der Massenvertreibung und Enteignung die „Nakba“, die Katastrophe. Doch sie ist kein abgeschlossenes, tragisches Kapitel der Geschichte. Die Nakba dauert fort – bis heute: Durch Wohnungsabrisse und -enteignungen, durch ein Regime von Checkpoints und die Errichtung einer Apartheidmauer, die tief in das palästinensische Gebiet hineinschneidet, durch den Bau immer neuer Siedlungen für Zionisten, von denen Überfälle gegen die palästinensische Bevölkerung verübt werden, hat sich der Staat Israel fortwährend ausgedehnt.
Schließlich hat Israel immer wieder Kriege geführt, um direkt die Kontrolle über neue Gebiete zu erobern. Der laufende Krieg gegen Gaza ist nur der letzte Baustein dieser mörderischen Vertreibungspolitik. Der israelische Premierminister Netanyahu kündigte bereits an, nach dem Ende des Krieges die direkte Kontrolle über Gaza nicht aufgeben zu wollen. Derweil haben radikale zionistische Milizen im Westjordanland vier palästinensische Dörfer „ethnisch gesäubert“ und mindestens 140 Menschen ermordet.
Sieg für den Widerstand
Der Westen und die Bundesregierung stehen zu Hundertprozent an der Seite Israels, weil sie durch diesen Staat ihre eigenen Interessen im Nahen Osten gewährleistet sehen. Die Bundeswehr verbindet darüber hinaus eine besonders enge Zusammenarbeit mit der israelischen Armee, von deren Erfahrungen sie profitieren will. So haben deutsche Soldaten in der Vergangenheit mit der israelischen Armee gemeinsam Tunnelkampf geübt – auf Grundlage der Erfahrungen mit den zahlreichen Kämpfen gegen die Hamas im Gazastreifen. Auch sind die Rüstungsgeschäfte exzellent. Die Bundeswehr hat es vorgezogen, die israelische Kampfdrohne Heron TP zu beschaffen, anstatt kostengünstigere und wirksamere amerikanische Modelle zu kaufen.
Internationale Bündnispartner Israels sind neben den Regierungen die Faschisten des Westens. Nicht nur die AfD in Deutschland, auch Marine Le Pen in Frankreich unterstützt den Krieg der Israelis gegen die Muslime. Ebenso der ungarische Premierminister Orban, der mit offen antisemitischen Kampagnen die letzten Wahlen gewann.
Doch die Regierungen haben ein großes Problem. Trotz einer massiven Verleumdungskampagne gab es auch im Westen zahlreiche Demonstrationen, die ihre Solidarität mit Palästina zum Ausdruck brachten. Am beeindruckendsten waren die Hunderttausende auf den Straßen Londons am 11. November, die die britische Innenministerin stürzten. Aber auch in Paris, Washington oder Berlin gingen Zehntausende auf die Straße, darunter viele Jüdinnen und Juden. Für die palästinensische Bevölkerung sind solche Solidaritätsbekundungen von enormer Bedeutung.
Der palästinensische Widerstand hat dabei auch umgekehrt für uns eine herausragende Bedeutung. Er vereint die Massen in der Region, die unter diktatorischen Regimen leiden. Vor nichts haben die arabischen Herrscher mehr Angst als vor Großdemonstrationen für Palästina – die sich sehr schnell gegen sie selbst richten könnten. Denn Staaten wie Marokko oder die Emirate machen gute Geschäfte mit Israel, gerade im militärischen Bereich. Das Sisi-Regime in Ägypten kollaboriert mit Israel gegen die Hamas und bei der Abschnürung des Gazastreifens.
Kanzler Scholz ist gegen einen Waffenstillstand. Nicht nur, weil ihm die palästinensische Bevölkerung egal ist und Deutschland gute Geschäfte mit Israel macht. Sondern vor allem, weil ein Waffenstillstand von Millionen auf der Welt als Sieg des palästinensischen Widerstands gegen eine übermächtige israelische Armee gefeiert werden würde.
Die Linke weltweit steht mit dem palästinensischen Widerstand, oder sie hört auf, eine Linke zu sein. Sieg für Palästina – nieder mit dem Kolonialismus!