Die AfD begann 2013 als ›Professorenpartei‹, die die Rückkehr zur D-Mark wollte. Doch was als Sammelbecken für Nationalisten, Eurogegner, Rechtskonservative, Rassisten aller Couleur begann, entwickelte sie sich zu einer faschistischen Partei. Ein Blick zurück auf den Werdegang der Partei.
Im Kern war die AfD bei ihrer Gründung ein Sammelbecken von Rechten, die keine klare Vision einte. Gemein war ihnen die Ablehnung des Euro, der Rassismus gegen Muslime und Schwarze sowie eine reaktionäre Grundhaltung gegen alles Linke. Lange war die Partei sich uneins, ob sie einen ultraliberalen Kapitalismus ohne soziale Sicherheit oder eine Volksgemeinschaft mit sicheren Renten für alle Deutschen bei Ausschluss aller „Ausländer“ in ihr Programm schreiben soll.
Die Forderung nach Wiedereinführung der D-Mark reflektierte die Ängste eines Teils des Kleinbürgertums, das nach der Krisenerfahrung von 2008 südeuropäische Länder und die EU als Bedrohung empfand. Die Bild-Zeitung titelte im Oktober 2010: »Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!«
Diese und andere rassistische Kampagnen der BILD gaben der Gründung der AfD den Anschub. Zu Beginn waren Personen wie der ehemalige Präsident des Industriellenverbandes BDI Hans-Olaf Henkel tonangebend. Henkel trat der AfD im Januar 2014 bei und gewährte ihr ein Darlehen in Höhe von einer Million Euro. Er wurde dann zum stellvertretenden Parteisprecher gewählt und zog für die AfD ins Europaparlament ein.
Henkel vertrat mit Parteichef Bernd Lucke die rechts-liberale Strömung in der AfD. Im April 2015 trat er wegen politischer Differenzen aus dem Parteivorstand zurück. Als Grund nannte er »Versuche von Rechtsideologen«, die Partei zu übernehmen. Diese gruppierten sich insbesondere um den sogenannten ›Flügel‹ von Björn Höcke. Alexander Gauland, heute Ehrenvorsitzender der AfD, unterstützte als wichtiger Strippenzieher und Stratege systematisch die Unterwanderung der AfD durch rechtsextreme Kreise, während er nach außen zugleich auf die Wahrung einer bürgerlichen Fassade Wert legte.
Schälungen zur Nazi-Partei
In der Folge ist die AfD durch mehrere Schälungen zu einer Partei geworden, die unter die Kontrolle von Höcke und anderen Führungsfiguren des faschistischen ›Flügel‹ geriet – auch wenn sich dieser ›Flügel‹ unter dem Druck von außen im April 2020 formal auflöste. Ausdruck fand dieser Prozess in den verlorenen Machtkämpfen der Parteivorsitzenden. Nach Parteigründer Lucke wurde seine Nachfolgerin Frauke Petry entthront. Schließlich verließ im Januar 2022 der damalige Parteivorsitzende Jörg Meuthen die Partei.
Petry und Meuthen hatten jeweils mit dem ›Flügel‹ um Höcke paktiert, um gegen ihre Vorgänger vorzugehen – bis sie später selbst abserviert worden sind. Seit Meuthens Abgang ist der Faschist Höcke so etwas wie der heimliche Parteichef. Weder der heutige Parteivorsitzende Tino Chrupalla, noch Fraktionsvorsitzende Alice Weidel könnten gegen ihn operieren, selbst wenn sie es wollten.
Die organischen Veränderungen zeigten sich auf dem Bundesparteitag in Riesa 2022. Dort wurde zum Beispiel der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen das ›Zentrum Automobil‹ aufgehoben. Dabei handelt es sich um eine faschistische Pseudogewerkschaft. Ihr Anführer spielte in einer Band, die die Terrorgruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in ihren Bekennervideos als Hintergrundmusik unterlegte.
In Riesa wurde auch das Prinzip der Doppelspitze aufgehoben. In Zukunft geht das auch mit einer einzigen Person an der Spitze. Damit bereitet die AfD den Weg zur Führerpartei vor. Mit Höcke hat die AfD einen rhetorisch geschulten Demagogen, die die Position als Führer einnehmen kann. Bei den Landtagswahlen in Thüringen sprach er 2022 in Gera und Berlin vor jeweils 10.000 Zuhörern. Veranstaltungssäle sind bis auf den letzten Platz gefüllt, wenn er ohne Gegenprotest auftreten kann. Seinen Anhängern deutet er an, wer sein Vorbild ist. Er sagte in einem Interview: »Wissen sie, das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt«.
Wendepunkt Chemnitz
Die Wandlung der AfD und Höckes Erfolg fielen nicht vom Himmel. Entscheidend waren dafür Mobilisierungen auf der Straße. Anschub erhielt der Prozess durch die wöchentlichen Kundgebungen von Pegida in Dresden und ihren Ablegern in anderen Städten seit Ende 2015, die gegen Zuwanderung und Kanzlerin Merkel protestierten.
Die Straßenmobilisierungen fanden ihren Höhepunkt in den pogromartigen Ausschreitungen von Chemnitz im August und September 2018. Dort kam es nach einem ethnisch umgedeuteten Tötungsdelikt zu tagelangen Märschen und Hetzjagden von hunderten Neonazis auf jene, die sie für Andersdenkende oder Migranten hielten. Ein Nazi-›Trauermarsch‹ wurde am 1. September mit 11.000 Teilnehmern von Pro Chemnitz angemeldet. An der Spitze liefen AfD-Größen wie Björn Höcke, Jörg Urban und Andreas Kalbitz. Sie marschierten mit weißen Rosen am Revers gemeinsam mit Teilen der Pegida-Bewegung, den Freien Kameradschaften, Hooligans und Martin Sellner von der Identitären Bewegung. In derselben Woche im September 2018 marschierten tausende Neonazis im sachsen-anhaltinischen Köthen und skandierten offen »Nationalsozialismus jetzt, jetzt, jetzt!«
Aus diesen Mobilisierungen gingen Chatgruppen hervor, unter anderem die terroristisch orientierte Revolution Chemnitz. Der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gestand später, den Entschluss zur Tat nach diesem ›Trauermarsch‹ getroffen zu haben. Lübcke stand ungeachtet seiner CDU-Mitgliedschaft im Ruf, migrationsfreundlich zu sein.
Parlament und Straße
Die Straße hat für die Faschisten eine besondere Bedeutung. Es ist der Ort, wo sie Stärke zeigen und die Gegner einschüchtern können. Hitler ergriff die Macht nicht, weil er Wahlen gewonnen hätte, sondern weil er nach der Wahl im Januar 1933 seine Straßenarmee SA aufmarschieren ließ, die schließlich zahlreiche kommunistische, sozialdemokratische und gewerkschaftliche Aktivisten in Gefängnisse und ›wilde‹, spontan errichtete Konzentrationslager warf. Die ›Gleichschaltung‹, also die Beseitigung des bürgerlichen Parlamentarismus und jedes demokratischen Grundrechts, setzte eine beispiellose Terrorwelle voraus, die erst im Mai 1933 abgeschlossen war.
Das gleiche gilt heute. Ob mit Pegida gegen Immigration, auf Demonstrationen und Kundgebungen zum Diesel-Fahrverbot, auf Corona-Leugner-Demos, im Heizungsstreit und gegen Flüchtlingsheime: Das Parlament benutzen die Faschisten nur als Bühne. Ihr eigentliches Ziel ist der Terror auf der Straße.
Höcke mobilisiert regelmäßig in seiner Bastion in Thüringen, dort in Opposition zur regierenden Linkspartei. Aber auch im Westen, wie in Baden-Württemberg – dem Mutterland der ›Querdenker‹ – vernetzt sich die AfD in direkten Gesprächen bei Stammtischen, über Chatgruppen und Infostände. Aus Kontakten werden Sympathisanten, aus Sympathisanten Mitglieder. Die AfD wird nicht nur von vielen gewählt, sie ist nach zehn Jahren ihres Bestehens zum Dreh- und Angelpunkt der faschistischen Bewegung in Deutschland geworden. Naziterror, wie in Halle oder Hanau, wird durch ihre Erfolge begünstigt.
Doch der Aufstieg der AfD kann gestoppt werden. Das zeigt die antifaschistische Massenbewegung, die seit Januar entstanden ist. Entscheidend ist der Kurs, den die Bewegung einnehmen wird.