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Zurück in die Zukunft – Wie wir die AfD stoppen können

Faschismus & Antifaschismus / 26. August 2024

Am 29. Juni haben in Essen geschätzt bis zu 70.000 Demonstrierende gegen den AfD-Bundesparteitag demonstriert. Dennoch ist die Partei weiter im Aufschwung. Die AfD-Nazis profitieren von einer rassistisch aufgeladenen Abschiebedebatte, die von den bürgerlichen Parteien und der Ampelkoalition nach dem Messerangriff in Solingen angeheizt wird. Nun droht in Sachsen und Thüringen ein Wahlsieg für die AfD. Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte: Nazis können wirksam bekämpft werden, meint unser Autor, Karsten Schmitz.

Der Nationalsozialismus hat sich tief in unser historisches Gedächtnis eingebrannt. Viele haben Angst, dass sich mit den drohenden Wahlerfolgen der AfD die Geschichte der 1920er und 30er Jahre wiederholen könnte, als erst Mussolini in Italien und dann Hitler in Deutschland die Macht erobert haben.

So verständlich diese Angst ist: sie lässt uns wichtige Dinge übersehen. Zum einen war der Aufstieg von Mussolini und Hitler keineswegs unaufhaltsam, sondern in den Fehlern seiner Gegner begründet. Zum anderen gab es viele andere Länder, in denen die Faschisten in den 30er Jahren gescheitert sind – so in Frankreich, in England und in den USA. Dort wurden faschistische Massenbewegungen gestoppt – nicht von staatlichen Institutionen einer ›wehrhaften Demokratie‹, sondern von ganz normalen Menschen, die Tag für Tag ihre Arbeit verrichten, aber ihr Schicksal im Angesicht der faschistischen Bedrohung in die eigenen Hände genommen und keine Scheu davor gehabt haben, die Bühne der Geschichte zu betreten. Entscheidend in all diesen Ländern war, dass die Organisationen der arbeitenden Klasse sich zusammengeschlossen und die faschistische Bewegung auf der Straße massenhaft konfrontiert haben.

Italien und Deutschland

Selbst in Italien und Deutschland  lief die Machtübertragung von der alten Elite an die Faschisten nicht reibungslos. In Italien kam es 1919 und 1920 zu einer Arbeiterrevolte, die das Land kurz an den Rand der sozialen Revolution gebracht hat. Die landesweit etwa 20 000 Mitglieder starken Antifaschisten der Arditi del Popolo konnten Mussolinis Schwarzhemden danach lange Zeit in bewaffneten Auseinandersetzungen in Schach halten.

In Deutschland war Hitler bis 1933 nie in der Mehrheit. Er profitierte davon, dass sich SPD und KPD gegenseitig bekämpften. Selbst nach der Machtergreifung musste die SA ihre geplanten Triumphmärsche durch die Arbeiterviertel zur Feier von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler in vielen Industriestädten abblasen – der Widerstand war dort immer noch zu stark.

Frühzeitig handeln

Für das Aufhalten des Nationalsozialismus zu diesem Zeitpunkt war er allerdings zu schwach, zu unorganisiert – und vor allem: zu spät. Deshalb lautet der erste Schluss, den Antifaschistinnen und Antifaschisten aus der Geschichte ziehen sollten: Frühzeitig handeln.

Faschismen sind die brutalsten und effektivsten Diktaturen im Repertoire bürgerlicher Herrschaftsformen. Anders als Militärdiktaturen verfügen Faschisten über eine Massenbewegung, aus der sie ihre Blockwarte, Denunzianten und Spitzel rekrutieren können. Die Überwachung ist nahezu total: In der Regel wird jeder Widerstand entdeckt, lange bevor er eine kritische Masse erreichen kann.

Je eher, desto besser. Wenn faschistische Organisationen noch klein, kaum in der Bevölkerung verankert und noch nicht gut aufgestellt sind, dann ist der beste Zeitpunkt, ihnen Einhalt zu gebieten.

Nun steht die AfD noch nicht vor der Machtübernahme, aber klein und unorganisiert ist sie auch nicht mehr. Sie hätte viel leichter aufgehalten werden können, als die Anti-Euro-Partei noch ein Sammelbecken für Nazis gewesen und noch nicht von ihnen übernomen worden ist. Viele radikale Linke argumentierten nach 2013, die AfD sei nicht der Hauptfeind, sondern die SPD – die habe mit ihrem Sozialkahlschlag unter Kanzler Gerhard Schröder den Boden für Rassismus und Faschismus bereitet.

Auch wenn ein Körnchen Wahrheit in dieser Ansicht steckt, ist die Schlussfolgerung aus ihr falsch. Es ist ein Unterschied, ob man dem Faschismus den ›Boden bereitet‹ oder ob Faschisten aktiv Organisationen aufbauen, die Menschen einschüchtern, Hetzjagden auf sie veranstalten, sie ermorden und den Staat übernehmen wollen, um mit seiner Gewalt alle bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechte abzuschaffen. Unser Hauptfeind ist und bleibt der Faschismus und damit die AfD.

Einheit aller AfD-Gegner

Die AfD ist offen rassistisch, flankiert die Gewalttaten der Stiefelnazis auf den Straßen und macht kaum einen Hehl aus ihren Absichten. Dagegen hilft nur Einheit all jener, die links von der Mitte stehen. Wenn die AfD erst einmal an der Macht wäre, macht sie keinen Unterschied zwischen Revolutionären und SPD, zwischen Gewerkschaftern, Migranten oder Grünen. Alle würden sich als Mitinsassen in irgendeinem Konzentrationslager wieder begegnen.

Der Faschismus darf nicht als Normalität akzeptiert werden. Die zweite Konsequenz, die es zu ziehen gilt, heißt deshalb: Nazis isolieren.

Die meisten Medien haben AfD’ler stattdessen zu Interviews und Talkshows eingeladen und sie wie ganz gewöhnliche Politiker behandelt – ganz so, als sei der Faschismus irgendeine Meinung unter vielen und kein Verbrechen.

Schönhuber und die REP

Als die rechtsextremen Republikaner (REP) unter Führung des TV-Moderators und einstigen Waffen-SS-Mann Franz Schönhuber 1989 bei den Berliner Landtags- und den EU-Wahlen jeweils mehr als sieben Prozent der Stimmen ergattern konnten, war die Taktik gegen sie klar: Ihnen die Maske der bürgerlichen Anständigkeit von der faschistischen Fratze zu reißen.

Und die Taktik ging auf. Der öffentliche Druck, sich rechtfertigen zu müssen, führte zu parteiinternen Streitigkeiten, die Republikaner scheiterten bei den Bundestagswahlen 1990 an der Fünfprozenthürde und verschwanden – konfrontiert mit einer Massenbewegung gegen sie – 1997 endlich wieder in der Bedeutungslosigkeit.

Aber Nazis isolieren bedeutet noch etwas anderes: Ihnen den öffentlichen Raum zu nehmen, in dem sie Hass auf andere schüren, zu Gewalttaten aufrufen und ihre Stärke demonstrieren wollen.

Dresden nazifrei

Als Dresden alljährlich im Februar zum Aufmarschplatz der europaweiten Nazi-Szene wurde, gründete sich 2009 das Bündnis Dresden nazifrei. 2011 überzeugte es über das linke Milieu hinaus die Bevölkerung der Stadt davon, an diesem Tag vor die Tür zu gehen, um alle Straßen und Plätze zu besetzen, die die Faschisten für ihre Inszenierung nutzen wollten. Der Polizei war es trotz ihres Großaufgebots unmöglich, den Nazis – wie sonst üblich – den Weg freizuprügeln: Dafür waren einfach zu viele Menschen in der Stadt auf den Beinen. Und da Nazis von ihrer Kraftmeierei leben, wurde Dresden für sie uninteressant. Der braune Spuk war vorbei.

Aber auch, wenn wir zahlenmäßig zu schwach sind, Kundgebungen, Aufmärsche oder Parteitage der Faschisten zu verhindern, können wir ihre Auftritte zum Spießrutenlauf für sie machen und ihnen zeigen: Nazis unerwünscht.

Da das Verhindern der Auftritte von Faschisten, die zum Aufbau ihrer Organisationen enorm wichtig sind, besser wäre, als nur das Stören, ziehen wir Lektion drei aus der Erfahrung von Dresden: Vereint agieren.

Dresden nazifrei war ein Bündnis aus Einzelpersonen, Organisationen und Parteien, die über all ihre Meinungsunterschiede hinweg das eine Ziel verfolgten: die Nazis aufzuhalten. Ohne dieses Bündnis wäre es unmöglich gewesen, sich an den Medien vorbei Gehör bei der Bevölkerung zu verschaffen, um sie zu mobilisieren.

SPD und KPD

Ganz anders war es vor 1933 in Deutschland, wo die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD sich gegenseitig als »rot lackierte Faschisten« oder als »Sozialfaschisten« bekämpften, statt eine Einheitsfront gegen die NSDAP zu bilden. Auch in anderen Ländern setzte Stalin die Linie für die Kommunistischen Parteien durch, die Sozialdemokratie als Hauptfeind zu betrachten – Hitler hätte ihm dafür danken sollen, denn eine Einheitsfront gegen die Nazis hätte diese zu Fall bringen können.

Das sollte sich am 4. Oktober 1936 im Londoner Eastend zeigen, damals ein Fokus für Armut, Massenarbeitslosigkeit und schlechte Unterkünfte. Hier versuchte die British Union of Fascists (BUF) sich mit provokativ-antisemitischen Kundgebungen so wie Angriffen auf Juden und Gewerkschafter aufzubauen. Sie selbst beanspruchte, 40.000 Mitglieder zu haben. An besagtem Tag wollte sie in einer Demonstration der Stärke durch das Eastend ziehen, in dem viele Flüchtlinge lebten.

Doch diesmal erkannten Kommunisten, Gewerkschafter und andere die Gefahr und konnten 300.000 Menschen davon überzeugen, sich den Nazis in den Weg zu stellen. Die 3000 versammelten Faschisten und die zu deren Schutz abgestellten 10.000 Polizisten wurden in der ›Schlacht in der Cable Street‹ besiegt – ein Schlag, von dem die BUF sich nicht mehr erholen konnte.

Nährboden Kapitalismus

Doch selbst die entschlossenste Einheit in der Aktion kann Nazis zwar kleinkriegen, aber nicht verhindern, dass sie immer wiederkommen – in den 60er Jahren die NPD, in den 80ern die Republikaner und nach 2013 die AfD. Es ist der Kapitalismus, der mit seinen Krisen und den durch sie zerrütteten Existenzen die Bedingungen schafft, in denen Rassismus und Faschismus gedeihen. Deshalb ist unsere Beteiligung an sozialen Kämpfen gegen Kürzungen, für Lohnerhöhungen usw. zentral. Unsere vierte und letzte Schlusfolgerung heißt: Alternativen aufzeigen – Alternativen zum Kapitalismus.

In jedem Bündnis propagieren wir unsere Ideen, versuchen zu zeigen, dass der Kapitalismus weniger Probleme hat als vielmehr das Problem ist, und Menschen für eine Organisation zu gewinnen, die sich dem Sturz dieses Systems verschrieben hat. Denn endgültig wird der Faschismus erst geschlagen sein, wenn wir den Kapitalismus, in dem Profite vor Menschen stehen, durch eine solidarische Gemeinschaft ersetzt haben, die andersherum funktioniert.











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