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Solingen und die Folgen: Dem rechten Mob entschieden entgegentreten!

Deutschland / Faschismus & Antifaschismus / 29. August 2024

Ampelparteien und CDU schüren eine rassistische Stimmung gegen Asylsuchende – die faschistische AfD profitiert

 In Solingen hat ein Attentäter wahllos auf Passanten eingestochen. Das Leid der Opfer haben Konservative und Ampelparteien missbraucht, um eine Stimmung für mehr und schnellere Abschiebungen zu machen. Das heizt die Stimmung gegen Muslime an und nützt nur der faschistischen AfD bei den bevorstehenden Wahlen in Sachsen und Thüringen. Es ist an der Zeit sich dem Rechtsruck entschlossen entgegenzustellen.

Von Timo König

Am letzten Freitag griff ein junger Mann mit einem Messer Besucher des Stadtfestes in Solingen an. Bei dem Angriff starben drei Menschen, acht weitere wurden teils schwer verletzt. Zum jetzigen Zeitpunkt wird von einem islamistischen Anschlag ausgegangen, da der Islamische Staat den Angriff für sich reklamiert. Der mutmaßliche Täter ist aus Syrien geflüchtet und war von der Abschiebung nach Bulgarien bedroht.

Rassistischer Überbietungswettbewerb

Die Antwort der bürgerlichen Politikerinnen und Politiker ist reiner Rassismus. Sie unterstellen nahezu unisono, dass Einwanderung und Messergewalt in einem ursächlichen Zusammenhang stünden – und schüren so Ängste, von denen allein die AfD profitiert.

Im Kern geht es um erleichterte Abschieberegelungen und Gesetze, die Geflüchteten das Leben noch schwerer machen. Das Recht auf Asyl soll weiter ausgehebelt werden. Es ist absurd zu glauben, dass dies zu weniger Kriminalität oder zu weniger Gewalt auf den Straßen führt.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist einer der Haupttreiber der Kampagne. Mit bemühter Aufregung stammelte er mehrfach so etwas wie »Es reicht!« im ZDF. Ihm ging es offenkundig darum, Tage vor den ostdeutschen Landtagswahlen Kanzler Scholz vor sich herzutreiben. Worte des Mitleids gegenüber den Angehörigen der Opfer sind ihm bei dem erbärmlichen Manöver nicht über die Lippen gekommen.

Merz fordert einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien und will rascher in diese Länder abschieben lassen.

Anstatt seine Hetze zu kontern, macht die Ampel mit.

Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen sieht »eklatante Lücken bei Abschiebungen« und der Bundeskanzler Olaf Scholz will die rassistischen Vorstöße von Merz mit einer verstärkten Zusammenarbeit mit der CDU in Migrationsfragen belohnen.

Die Ampel-Regierung plant, dass ›Dublin-Flüchtlinge‹ – also solche, die über einen anderen EU-Staat einreisten und dort registriert wurden – künftig weder Geldleistungen noch eine Bezahlkarte erhalten. Scholz, Habeck und FDP-Minister Lindner sind sich einig, dass es Geflüchteten in Deutschland möglichst schlecht gehen soll.

Die Opposition ist auch keine Hilfe

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich anschickt, Die Linke als Antikriegspartei und Partei der ›kleinen Leute‹ abzulösen, stößt nicht nur ins selbe Horn, sondern kritisiert Bundeskanzler Scholz von rechts. Es macht Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten und behauptet: »Wer unkontrolliert Migration zulässt, bekommt unkontrollierbare Gewalt«. Damit füttert es den Rassismus – was letztlich nur der AfD nutzt.

Wahlen im Osten

Die Heftigkeit der Debatte muss im Kontext der anstehenden Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – Sachsen, Thüringen und Brandenburg – verstanden werden. Die Parteien der Ampelregierung haben hier teils beträchtlich an Zustimmung verloren, weil sie sozial nichts anzubieten haben.

Die Regierungsparteien meinen nun, sie könnten mit einer rassistischen Debatte um eine härtere Asylpolitik bei den Wahlen punkten – auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten. Das ist pure Verzweiflung. Tatsächlich stärkt diese Strategie nur das Original: die faschistische AfD.

Die hat das Potenzial von Solingen für ihre Hetze erkannt hat. Björn Höckes Wahlbüro veröffentliche ein Bild, das von vielen AfD-Anhängern geteilt wird. Darauf ist Höcke vor rot-weißem Hintergrund zu sehen, wie er nach rechts schaut. Das Bild trägt die Aufschrift: »Höcke oder Solingen«.

Hetze mit System

Die rassistische Hetzkampagne ist kein Zufall, sondern hat System. Die Regierung befindet sich in einer Krise und kann sich kaum auf einen Haushalt einigen. Alles, was sie anzubieten hat, sind Kürzungen im Haushalt für Arbeitslose, Sozialabbau und wirtschaftliche Stagnation.

Gleichzeitig steckt Deutschland Abermilliarden in die Aufrüstung und beteiligt sich mit Waffenexporten an zwei Kriegen in der Ukraine und gegen die palästinensische Bevölkerung, die in der Bevölkerung immer unbeliebter werden.

Besonders unbeliebt, gerade im Osten, sind die Pläne zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Die hat SPD-Kanzler Scholz mit US-Präsident Biden quasi im Alleingang ausgemacht.

Da ist es für die Regierung einfacher, über ein angebliches Migrationsproblem zu diskutieren und Ängste gegen die Schwächsten in der Gesellschaft zu kanalisieren, als die reale Bedrohung durch den immer rasanteren Rüstungswettlauf zu thematisieren.

Ein ›hartes Durchgreifen‹ in der Migrationsfrage, also eine möglichst inhumane und menschenverachtende Asylpolitik, soll Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wo es zunehmend schwieriger wird, die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter für den neuen Imperialismus unter einem nationalistischen Banner zu versammeln, nutzt die rassistische Hetze der Konstruktion eines neuen deutschen ›Wir‹.

Der Generalverdacht, unter den nach Solingen nun Musliminnen und Muslime wieder einmal gestellt werden, soll uns – ob Palästina-Solidarität oder Streiks – in entscheidenden Kämpfen spalten und kanalisiert die berechtigte Wut, etwa aufgrund der Zustände in Kitas und Schulen, in Rassismus und Feindseligkeit, während die Schuldigen an diesen Zuständen in den Parlamenten und Landesregierungen sitzen.

Pogrome in England

Diese rassistische Drehung der Debatte um Solingen ist brandgefährlich. Vor vier Wochen erlebten wir rassistische Übergriffe und Pogrome gegen Moscheen in England. Angestachelt von rechtsradikalen Politikern und Falschinformationen über einen Mordfall in Stockport bei Manchester kam es zu gewalttätigen Zusammenrottungen von rechtsradikalen Straßenmobs in ganz England, die Jagd auf Muslime, Migranten und Geflüchtete machten. Ein weiteres Eskalieren der Pogrome konnten nur durch Massenmobilisierungen von Linken und Antifaschistinnen und Antifaschisten gestoppt werden.

Vor solch einer Situation sind wir in Deutschland nicht mehr weit entfernt. Die AfD, die in der Vergangenheit bereits rassistische Ausschreitungen forcierte und Verbindungen zu faschistischen Straßenkadern hat, profitiert nicht nur die rassistische Hetzkampagne nach Solingen, sondern heizt sie bewusst weiter an. Es ist erst sechs Jahre her, als 2018 in Chemnitz Nazibanden ungestraft Jagd auf ‘Ausländer‘ und Muslime machten, und wo in Köthen Tausende auf den Straßen marschierten und dabei »Nationalsozialismus jetzt, jetzt, jetzt!« skandierten.

Höcke in die Flucht geschlagen

Der Kampf gegen jegliche rechte Mobilisierung muss in dieser Situation höchste Priorität haben. Auch wenn die bürgerlichen Parteien den Rassismus stetig befördern, geht die größte Gefahr von der AfD aus, die sich nicht scheuen wird, die rassistische Hetze in Form von Straßendemonstrationen und pogromartige Angriffe eskalieren zu lassen.

In Großbritannien konnten die rassistischen Mobs durch antifaschistische Massendemonstrationen gestoppt werden. In Deutschland werden die nächsten Wochen entscheidend sein: Wo immer die faschistische Rechte auf die Straße geht und versucht den Anschlag von Solingen für ihre Vernichtungsfantasien zu instrumentalisieren müssen wir ihr massenhaft und entschlossen entgegentreten.

Es gibt ermutigende Signale. Direkt nach dem Anschlag von Solingen waren wesentlich mehr Linke als AfDler auf der Straße und konnte so eine Wiederholung von Ereignissen wie nach Stockport in England verhindern.

Dass wir die Faschisten schlagen können, haben auch die Proteste gegen den Auftritt von Höcke in der letzten Woche in Jena gezeigt, wo dieser von 2500 entschlossenen Antifaschistinnen und Antifaschisten in die Flucht geschlagen wurde.

Antifaschistische Einheit auf der Straße

Unsere stärkste Waffe gegen die AfD ist die Einheit im Kampf auf der Straße. Die Gemeinsamkeit mit allen, die die faschistische Gefahr stoppen wollen, ist zentral. Gleichzeitig müssen wir gegen die Politik der Regierungsparteien und der CDU/CSU Front machen.

Klar ist: Es gibt nicht zu wenige Abschiebungen, sondern zu viele. Afghanistan und Syrien sind keine sicheren Herkunftsländer. Die von SPD und Grünen geführte Bundesregierung nimmt für sich eine ›wertegeleitete‹ Außenpolitik in Anspruch. Wo sind diese Werte, wenn Geflüchtete an ein Folterregime dem Assad-Regime in Syrien ausgeliefert werden? Wo ist Annalena Baerbocks ›feministische‹ Außenpolitik, wenn afghanische Geflüchtete in den Machtbereich der Taliban zurückkehren müssen?

Die aktuelle Abschiebedebatte zielt nicht darauf ab, Attentate zu verhindern. Vielmehr schürt sie einen rassistischen Generalverdacht gegen Migrantinnen und Migranten. Unsere Antwort ist konsequenter Kampf gegen die rassistische Hetze und die faschistische Gefahr.


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