US-Präsident Trump droht praktisch allen Ländern der Welt mit einem Handelskrieg. Sein Wahlspruch dazu: „Make America Great Again“ – kurz: „MAGA“. Kieran Allen analysiert, was dahintersteckt. Er zeigt, wie die umfassende Einführung von Zöllen zur Wiederbelebung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der USA die internationale Kriegsgefahr erhöht.
Trump kultiviert den Stil des „einfachen Mannes“, wie es nur wenige Staatsoberhäupter der Welt tun. Der Tag, an dem er auf die Einführung von Waren aus aller Welt Strafzölle erhob, nannte er „Tag der Befreiung“. Er hielt eine Pressekonferenz ab und rief Brian Pannebecker zu sich auf das Podium, einen verrenteten Autoarbeiter. Dann lobte er seine Landwirtschaftsministerin, Brooke Rollins, zur erfolgreichen Senkung der Eierpreise. Ja, der Preis von Eiern ist für viele eine große Sache!
Experten auf der ganzen Welt nennen Trump einen „ökonomischen Analphabeten“. Weiß er denn nicht, dass der letzte Handelskrieg zur großen Depression in den 30er Jahren führte?
Die Ökonomen haben damit nicht ganz unrecht. Aber die Annahme, Trump sei nichts als ein „Verrückter“ auf Egotrip, trägt wenig zum Verständnis dessen bei, was gerade geschieht. Hinter dem Getöse verbirgt sich eine gewisse Logik. Die Einführung der US-Zölle sind durch drei Hauptanliegen motiviert.
Relativer Niedergang der US-Wirtschaft
Erstens ist Trumps Team vom Niedergang der USA überzeugt. Sie vergleichen ihn mit dem des britischen Empires vor dem Ersten Weltkrieg. Die USA leiden unter einem Haushaltsdefizit von 1,9 Billionen Dollar, das entspricht sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts. Ihr Anteil an der weltweiten Industrieproduktion ist rückläufig und macht nur noch 17 Prozent aus – gegenüber dem 30 Prozent für China. Die USA fürchten, den Kampf um die neuen Technologien zu verlieren, zum Beispiel den um Künstliche Intelligenz (KI), Elektroautos oder Solarpanels.
Trumps Zölle zielen darauf ab, den Rest der Welt zu zwingen, eine Wiederbelebung der US-Wirtschaft zu subventionieren. Hauptangriffsziel ist China, gegen die im April Zölle von 145 Prozent verhängt wurden. Aber auch Länder wie Vietnam, in dem ein Drittel der Investitionen aus China stammt.
Doch warum erhebt Trump Zölle gegen die Bündnispartner in der EU? Trump will neue Zugeständnisse zum Vorteil für den US-Kapitalismus erzwingen. Er will zum Beispiel, dass die EU von ihrer Entscheidung abrückt, anstelle von US-Waffen nur noch in Europa hergestellte Rüstungsgüter zu kaufen. Sie soll auch keine Digitalsteuer auf US-Tech-Unternehmen erheben, und sich an seinem Wirtschaftskrieg gegen China beteiligen. Deshalb hat er den europäischen Staaten eine Frist von 90 Tagen zum Aushandeln von Zugeständnissen eingeräumt.
Missstimmung in Amerika
Zweitens sorgt sich Trump um seine Vormachtstellung im eigenen Land. In den USA herrscht eine deutlich spürbare Stimmung gegen die kapitalistischen Konzerne. Das ist allerdings nicht mit reinem Antikapitalismus gleichzusetzen. Jeder weiß um die enorme soziale Ungleichheit. Sie wurde aber toleriert, solange es dennoch gutbezahlte Arbeitsplätze gab. Das ist vorbei. US-Arbeiter arbeiten oft sieben Tage die Woche; 9 Millionen Menschen haben mehrere Jobs, nur um überleben zu können.
Trump will seinen Milliardärsfreunden weitere Steuersenkungen schenken. Deshalb muss er eine nostalgische Vision von der einstigen Größe der Vereinigten Staaten heraufbeschwören. In den 60er Jahren hatten die Autoarbeiter noch annehmbare Löhne, Renten und Gesundheitsleistungen. Daher ließ er Pannebecker auftreten, einen rassistischen Schläger und langjährigen Trump-Anhänger, der einen „echten Arbeiter“ mimt.
Zerfall der transatlantischen Ordnung
Drittens markieren die Zölle das Ende der transatlantischen Ära. Während des Kalten Krieges waren die USA die globale Führungsmacht des westlichen Kapitalismus. Das fiel mit dem „Wirtschaftswunder“ zusammen, als der Wohlstand Kompromisse zwischen Arbeit und Kapital zuließ. Die USA spielten eine aktive Rolle bei der Förderung dieser Verhandlungsbereitschaft in Europa, indem sie Politiker in ihrem Sinne aktiv unterstützten und die Neugestaltung der Gewerkschaftspolitik förderten.
Und, was entscheidend war, indem sie 750 Militärstützpunkte in 70 Ländern errichteten. Die USA posierten so als Führungsmacht der „freien Welt“. Hier und da förderten sie sogar vage „progressive“ Ideen.
Heute wird dieses Vorgehen durch den wirtschaftlichen Niedergang der USA erschwert. Sie muss ihre Verbündeten unter Druck setzen, ihnen mehr zu geben – andernfalls drohen die USA mit Strafen. Es geht nicht mehr um „Freiheit“. Die neue Ideologie besteht in der Unterstützung von allem, was extrem rechts ist oder sich „patriotisch“ nennt.
Die MAGA-Bewegung
Marx bezeichnete den Staat als einen „bloßen Ausschuss der Bourgeoisie“, der kapitalistisch-bürgerlichen Klasse. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Klasse sich immer einig wäre. Wie sonst ließe sich der Ausverkauf der US-Aktien im Anschluss an Trumps Zoll-Ankündigungen erklären?
Wie in jeder Institution gibt es immer wieder Unstimmigkeiten zwischen den Funktionsträgern im Staat und deren „Basis“. Das gilt erst recht, wenn es sich dabei um Vorstandsvorsitzende von Unternehmen handelt, die in Konkurrenz zueinanderstehen. Der Staat versucht, ihre Interessen zu bündeln, Strategien für gemeinsame nationale Interessen zu formulieren und zu entwickeln. Dabei kommt es mitunter zu heftigen Auseinandersetzungen mit einigen, und manchmal sogar mit der Mehrheit der Unternehmen.
In den USA hat die Make America Great Again-Bewegung (MAGA) faktisch die Herrschaft über den Staat übernommen. Sie will dem US-Kapital eine neue Strategie aufzwingen, die einen Bruch mit der Vergangenheit bedeutet.
Die bisherige Strategie beruhte auf dem Aufbau von Lieferketten in der ganzen Welt durch das US-Kapital auf der Grundlage billiger Arbeitskräfte. Dieses Modell soll in Teilen fortbestehen. Doch in der neuen Strategie geht es im Kern darum, die Macht des US-Staates und seines Militärs zu nutzen, andere Länder zur Subventionierung eines neuen Aufschwungs der Vereinigten Staaten zu zwingen. Die Durchsetzung dieses neuen Modells führt zu scharfen Konflikten innerhalb der US-Elite.
Auswirkungen der Zölle
Werden Trumps Zölle funktionieren? Eher unwahrscheinlich. Sie sind ein zu grobes Werkzeug. Sie werden die Inflation anheizen, da die Unternehmen die Zusatzabgaben auf importierte Vor- oder Fertigprodukte an die Verbraucher weitergeben werden. Auch einheimische US-Unternehmen, die in Konkurrenz zu den Importeuren stehen, werden die Situation ausnutzen und ihrerseits die Preise auf das höhere Niveau anheben. Den amerikanischen Arbeitern verspricht Trump ein traumhaftes Leben; tatsächlich werden sie die ersten sein, die unter seiner Politik leiden.
Sollte es zu ausgedehnten Vergeltungsmaßnahmen durch die herrschenden Klassen anderer Staaten kommen, werden sie einen Handelskrieg auslösen, der zu einer weltweiten Rezession führen könnte. Im Übrigen sind nicht-intendierte Nebeneffekte zu erwarten. Die EU zeigt sich bereits besorgt, dass China infolge der amerikanischen Zölle verstärkt auf den europäischen Markt drängen könnte und prüft deshalb ihrerseits neue Zölle auf chinesische Waren.
Allerdings, die USA sind heute eine schwächere Macht als in der Vergangenheit. Bei dem Versuch, wie ein globaler Schulhofschläger alle anderen einzuschüchtern, könnte sie auf erheblichen Widerstand stoßen. In der gegenwärtigen Konjunkturphase entfallen nur 13 Prozent der weltweiten Importe auf die USA. Andere kapitalistische Mächte werden neue Märkte suchen und möglicherweise Ausschau nach Alternativen zum Dollar als Reservewährung halten.
Handelskriege und militärische Kriege
Das Wiedererstarken der US-Wirtschaftsmacht ist eng mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen verknüpft. Scott Bessent, der US-Finanzminister, hat dies so dargestellt: Er möchte, dass die USA eine „Sicherheitszone“ einrichten, in der die Zölle je nach der Haltung eines Landes zu den USA festgelegt werden. Es gäbe eine „grüne Zone“ für Länder, die dieselben Werte und Währung teilen und mit denen die USA militärisch kooperieren; eine „rote Zone“ für feindlich gesinnte Länder; und eine „gelbe Zone“ für Länder, die gegen die US-Politik „aufbegehren“, aber noch nicht zum feindlichen Lager gehören. Mit anderen Worten: Der globale Protektionismus ist eng mit dem globalen Rüstungswettlauf verbunden.
Trumps Strategie, über Zölle als staatliches Machtinstrument seine Ziele durchzusetzen, gleicht der vorherrschenden Politik in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Wie damals müssen wir damit rechnen, dass sich im Falle des Scheiterns der nostalgischen Blütenträume von einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung leicht Gründe für neue Kriege finden lassen werden.
Es gibt jedoch einen Unterschied. Anders als damals sind die Großmächte heute mit Atomwaffen ausgerüstet. Es gibt eine Klimakrise, die globales Zusammenarbeiten erfordert.
Für die Linke bietet all das jedoch auch Grund zur Hoffnung. Das Vertrauen, das die meisten Menschen früher in die führenden Politiker der Welt hatten, ist tief erschüttert. Diese Politiker entlarven sich zunehmend als unfähig, uneinig und großspurig. Wenn Milliardäre oder eine EU-Bürokratie von „unseren“ gemeinsamen Interessen sprechen, dann ist das wenig überzeugend. Der Kapitalismus ist heute für viele Menschen gleichbedeutend mit Korruption, Prinzipienlosigkeit, Spaltung und Hass. Lasst uns mehr darüber sprechen, dass der Kapitalismus sein Verfallsdatum bereits überschritten hat.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 5. April 2025 auf der irischen sozialistischen Website Rebel News