Trump gibt grünes Licht für Vertreibungsplan – Bundesregierung schaut zu
Am 18. März hat Israel den Waffenstillstand in Gaza gebrochen. Doch warum? Die Hamas hat alle israelischen Geiseln im Austausch für einen Frieden angeboten. Dies macht deutlich: Der Netanjahu-Regierung geht es nicht um die Geiseln. Sie will ein Palästina ohne Palästinenserinnen und Palästinenser – und hat dafür grünes Licht aus Washington.
Von Jan-Christoph Pfeiffer
Bereits in der ersten Nacht, in der die Netanjahu-Regierung den Waffenstillstand brach, töteten die israelischen Streitkräfte bei „Luftschlägen“ über 400 Menschen – mehrheitlich Zivilistinnen und Zivilisten, die sich in notdürftig errichteten Flüchtlingsunterkünften aufhielten. Seitdem geht das Morden weiter. Laut dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte bombardierte Israel zwischen dem 18. März und 9. April mindestens 224-mal Wohngebäude und Zeltlager für Binnenflüchtlinge. In mindestens 36 Fällen waren die Opfer ausschließlich Frauen und Kinder.
Diese Barbarei, die Amnesty International zu Recht als „Völkermord“ bezeichnet, verfolgt ein Ziel. Dies zeigt sich am Vorgehen der israelischen Armee: In den ersten vier Wochen hat sie alle Ortschaften im Gazastreifen mit Panzern abgeriegelt und insgesamt 21 „Evakuierungsorder“ herausgegeben. Im Ergebnis werden „die Palästinenser im Gazastreifen gewaltsam in immer kleiner werdende Gebiete eingepfercht, in denen sie kaum oder gar keinen Zugang zu lebensrettenden Dienstleistungen wie Wasser, Nahrung oder Unterkunft haben und in denen sie weiterhin Angriffen ausgesetzt sind“, so das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte.
Trump gab den Anstoß
Das heißt nichts anderes, als dass die israelische Führung erneut den Versuch unternimmt, die Vertreibung der ansässigen palästinensischen Bevölkerung fortzusetzen. Es ist die Fortsetzung der „Nakba“, das heißt der erzwungenen Flucht der palästinensischen Bevölkerung, die im Jahr 1948 begann und seitdem von Israel in immer neuen Kriegen vorangetrieben wird.
Grünes Licht dafür gab es aus Washington. US-Präsident Trump präsentierte während des ersten Besuchs von Israels Regierungschef Netanjahu in Washington seine Ideen zum Nahen Osten. Der Gaza-Streifen sei zerstört. Die USA würden ihn „übernehmen“ und in eine „Riviera“ am Mittelmeer aufbauen. Zwischenzeitlich müssten die über 2 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser woanders untergebracht werden.
Diese fast beiläufig hingeworfenen Sätze könnten als lächerlich abgetan werden. Doch Trumps Äußerungen wurden sehr ernst genommen: Von der israelischen Regierung. Sie waren der willkommene Anlass, die Wiederaufnahme des Vertreibungskrieges vorzubereiten.
Tags darauf wies der israelische „Verteidigungsminister“ Katz die Armee an, einen Plan zur „freiwilligen Umsiedlung“ zu erarbeiten. Reservisten wurden mobilisiert. Seit Anfang März wurde der Gazastreifen erneut von Wasser, Strom und Nahrungsmitteln abgeschnitten.
Die US-Regierung suchte derweil nach Ländern, die bereit wären, die palästinensische Bevölkerung aufzunehmen. Angebote wurden Jordanien, Ägypten und Syrien gemacht, aber auch Sudan, Somalia und der Regierung der autonomen Region Somaliland. Wer ablehnt, wird entweder mit Kürzungen von Hilfsgeldern bedroht oder mit Militärhilfen gelockt.
„Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“
Die Netanjahu-Regierung sieht, dass sich ein historisches Fenster für einen imperialistischen Traum öffnet: Wie bekommt man ganz Palästina – ohne seine Menschen? Der Staatsgründung 1948 ging die Idee in der zionistischen Bewegung um, man wolle ein Land ohne Volk für die global verstreute jüdische Diaspora.
Jedoch war Palästina bereits besiedelt. Deshalb begann die Staatsgründung mit einem Vertreibungsfeldzug. 800.000 Palästinenserinnen und Palästinenser flohen in Panik. Andere palästinensische Familien blieben in dem neuen Staat Israel. Oder sie flohen in den Gazastreifen und das Westjordanland – also in Gebiete, die Israel im folgenden Krieg von 1967 eroberte.
Aus Sicht der extremsten Zionisten hat sich ihre Bewegung bei der Staatsgründung zu früh auf einen Teilungsdeal eingelassen. Schon vor Jahren beklagte der rechtsextreme Koalitionspartner der Netanjahu-Regierung, Bezalel Smotrich, der Ben Gurion hätte als erster Premierminister Israels 1948 den „Job zu Ende bringen” und alle Araber rausschmeißen sollen.
Vertreibung oder Tod
Genau dies will Netanjahu nun umsetzen. Seine Gaza-Intervention stand allerdings vor einem Problem: Wohin soll die palästinensische Bevölkerung vertrieben werden? Ägypten hält seinen Teil der Grenze zum Gazastreifen geschlossen. Das zynische Kalkül der israelischen Regierung: die Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung durch schrittweise Einkesselung, Bombardierung und Unterbrechung aller Wasser-, Strom- und Lebensmittellieferungen derart zu verschlechtern, dass sie am Ende nur die Wahl haben zwischen der „freiwilligen Ausreise“ und dem Tod durch Bomben, Hunger, Krankheiten. Wohin? Das werde sich mit dem wachsenden Elend und etwas US-Druck gegen geeignete Staaten schon ergeben.
Dies war der „Plan der Generäle“, der Ende September 2024 im israelischen Parlament vorgestellt worden ist. Israels Verteidigungsminister Katz formulierte es in einer Videobotschaft von an die Bevölkerung Gazas vom 20. März so: „Befolgt den Rat des US-Präsidenten: Gebt die Geiseln frei und vertreibt die Hamas. Dann eröffnen sich Euch neue Optionen – einschließlich der Umsiedlung in andere Teile der Welt für diejenigen, die dies wünschen. Die Alternative ist Zerstörung und völlige Verwüstung.”
Schwarz- rot – mit Israel, gegen demokratische Rechte
Und Deutschland? Die Bundesregierung, alt wie neu, deckt nicht nur das Vorgehen der israelischen Regierung. Sie unterstützt sie. Unter Kanzler Scholz (SPD) und Außenministerin Baerbock (Grüne) war Deutschland nach Beginn des Bombenkrieges gegen Gaza zum zweitwichtigsten Rüstungsexporteur an Israel aufgestiegen. Der neue Kanzler Merz (CDU) hat nun deutlich gemacht, dass er Israels Regierungschef Netanjahu auch in Deutschland empfangen würde – trotz des Haftbefehls, den der Internationale Gerichtshof in Den Haag gegen Netanjahu wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verhängt hat.
Es geht dabei nicht nur um Außenpolitik. In der neuen Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU/CSU findet sich eine scharfe Verurteilung der Hamas, aber keinerlei Kritik am israelischen Vorgehen. Stattdessen werden „antisemitische Straftaten“, unter die in der Praxis jede Unterstützung für Palästina fallen kann, zum Abschiebungsgrund erklärt. Öffentliche Förderungen für Projekte, Organisationen oder Kunst sollen künftig auf ihre Vereinbarkeit mit der deutschen „Staatsräson“, also die bedingungslose Solidarität mit Israel, geprüft werden.
Wir erleben bereits, was dies bedeuten wird. Beispiel Berlin: Dort wurde im Februar auf Druck des regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, von der Freien Universität ausgeladen; im April wurden nun drei EU-Bürgern und einem Amerikaner, die an pro-palästinensischen Aktionen teilgenommen hatten, durch das Landesamt für Einwanderung Ausweisungsbescheide ausgestellt.
Stoppt die Nakba 2.0 – Solidarität mit Palästina!
Weltweit sind Millionen entsetzt über das Vorgehen Israels und ihrer amerikanischen Verbündeten und wollen keine zweite Nakba hinnehmen. Auch wenn die schiere Repression gegen die Palästina-Solidarität und die Ohnmacht angesichts des Zynismus unserer Herrschenden die Bewegung kleiner werden lassen, ist die Palästina-Solidarität weiter eine globale Bewegung.
Sie braucht einen entscheidenden Anstoß aus den arabischen Ländern. Wenn die stillschweigende Hinnahme der arabischen Herrscher des israelischen Vorgehens durch Massenbewegungen herausgefordert wird und Regime fallen – wie 2011 – dann wird auch die globale Palästina-Solidarität einen massiven Anstoß bekommen.
In Deutschland müssen wir heute die Forderung nach Menschenrechten in die Parteien links der Mitte und die Gewerkschaften tragen. Die Losung muss sein: Bedingungsloser Waffenstillstand jetzt! Solidarität mit dem globalen Widerstand gegen eine zweite Nakba! Stoppt die Repressionen gegen die Palästina-Solidarität!
Schlagwörter: Gaza, Israel, Nakba, Palästina