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Von Parlament bis Straße: Die Doppelstrategie der AfD und warum sie so gefährlich ist

Faschismus & Antifaschismus / Politik / 14. Juli 2025

Die Aufmärsche rechtsextremer Gruppen auf bundesweiter Ebene häufen sich. Unter verschiedenen Vorwänden gehen sie auf die Straße, doch ihr eigentliches Ziel ist klar: Sie versuchen, rechtsextremes Gedankengut in der Öffentlichkeit zu normalisieren und oftmals ihr ›Revier‹ zu markieren. Um Mobilisierungserfolge zu erzielen, bedienen sie sich breiter Bündnisse, die auf den ersten Blick nicht rechtsradikal wirken. Aber wir können sie stoppen, meint unser Autor Jan Trikole.

Ein Beispiel dafür war der 31. Mai 2025: Unter dem Deckmantel des Protestbündnisses ›Gemeinsam für Deutschland‹ versuchten rechtsextreme Kräfte, bundesweit sogenannte ›Großdemos‹ in jedem Bundesland zu organisieren. Ihre Forderungen – wie »flächendeckende Grenzkontrollen«, »Schutz der Bevölkerung« oder »Keine Bargeldabschaffung« – klingen auf den ersten Blick teilweise bürgerlich, sind jedoch oft mit rassistischen, verschwörungsideologischen oder autoritären Narrativen verknüpft.

Diese Strategie zielt darauf ab, gesellschaftliche Akzeptanz für extrem rechte Positionen zu schaffen und gleichzeitig den organisierten Rechtsextremismus zu stärken.

Das Bündnis und seine Tarnung

Dieses Bündnis stammt aus dem Querdenker-Milieu und tarnt sich als eine Bewegung von Bürgern, die sich angeblich »einfach nur unsicher in Deutschland fühlen«. Dass das nicht der Wahrheit entspricht, ließ sich auf den vergangenen Demonstrationen deutlich beobachten. Neben so genannten ›besorgten Bürgern‹ marschierten dort waschechte Stiefelnazis mit – und genau das ist auch die Intention dahinter: Die Demonstrationen dienen als Sammelbecken für Rechte.

Die Strategie der Rechten: Täuschung und Straßenpräsenz

Und sie versuchen durchaus erfolgreich, sich mit nationalistischen Scheinargumenten als Friedensbewegung zu inszenieren – ein Muster, das wir bereits von der AfD kennen, deren taktischer Fokus, eine verlogene Pose als ›Friedenspartei‹ zu vollführen, viele zu täuschen vermag. Dass diese Strategie auf einen sehr fruchtbaren Boden fällt, ist kaum überraschend in einer Zeit, da Grüne und SPD zusammen mit CDU/CSU Waffenlieferungen und unbegrenzte Aufrüstung vorantreiben, während die Linkspartei sich nicht eindeutig dagegen positioniert.

Die Strategie der Rechten ist durchschaubar: Sie geben sich als breite Volksbewegung aus, während in ihren Reihen längst offen faschistische Positionen vertreten werden. Während die AfD das Parlament für ihre rechtsextreme Propaganda nutzt, ist es kein Zufall, dass immer mehr rechtsextreme Aufmärsche in Deutschland stattfinden. Die AfD versucht gezielt, genauso präsent auf der Straße zu sein wie im Parlament – ein Muster, das man aus der Geschichte Deutschlands bereits kennt.

Nazis bauen sich nicht über Ideen und Argumente auf, sondern über Gewalt. Die kleinen Selbstständigen, die den Kern von faschistischen Bewegungen bilden, besitzen weder die wirtschaftliche Macht der großen Kapitalisten noch die soziale Macht der Gewerkschaften der Lohnabhängigen. Also wollen sie in martialischen Aufmärschen demonstrieren, dass die Straßen ihnen gehören und sie ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen können. Die Nationalsozialisten bauten in der Weimarer Republik zu diesem Zweck ihre Sturmabteilung (SA) auf.

Verflechtungen mit gewaltbereiten Extremisten

Die enge Zusammenarbeit zwischen der AfD und Rechtsextremen sowie anderen radikalen Gruppen ist bekannt und kein neues Phänomen. Deutlich zeigt sich, wie die AfD ihre Fühler in rechtsradikale Kreise ausstreckt, sich dort Kader sucht oder gemeinsame Sache mit ihnen macht. Diese Zusammenarbeit ist kein Zufall:

Der ehemalige ›Flügel‹, vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, diente jahrelang als Scharnier zwischen der AfD und gewaltbereiten Gruppen (so auch offiziell der Bundesverfassungsschutzbericht 2022). AfD-Mitglieder wie Andreas Kalbitz wurden wegen Verbindungen zu verbotenen Vereinigungen verurteilt.

Besonders beängstigend ist ihre Reichweite in den Sozialen Medien – einer ihrer meistgenutzten Propagandawege und zugleich ihr erfolgreichster. Durch den aggressiven Stil ihres Auftritts erreichen sie ein besonders junges Publikum, was sich auch auf der Straße widerspiegelt. Oft marschieren sie nicht unter dem Banner der AfD, sondern unter dem irgendeiner regionalen Kleinstorganisation. Doch eines ist klar: Sie teilen dasselbe Gedankengut.

Das Scheitern der rechten Mobilisierung

Selbst wenn sich all das beängstigend anhört, müssen wir die letzten Versuche der Rechten, die Straßen zu übernehmen, ebenso nüchtern analysieren wie die Reaktionen des linken Spektrums und die Berichterstattung der Medien.

Ein wiederkehrendes Muster ist die systematische Übertreibung der Teinehmerzahlen in rechten Kreisen. Am 31. Mai kündigten Organisatoren in Münster 2000 Teilnehmer an – tatsächlich kamen nur etwa hundert. In Berlin meldeten die Organisatoren 15 000 Demonstranten an, doch erschienen sind lediglich 700 bis 1000. Diese Beispiele stehen nicht isoliert da; eine vollständige Liste der Fehleinschätzungen wäre umfangreich.

Diese Protzerei erweckt natürlich den Eindruck des permanenten Scheiterns und führt innerhalb der rechten Szene zu Frustration und internen Konflikten. Besonders deutlich wurde das am Fall des rechtsextremen Aktivisten Ferhat Sentürk, dessen angemeldete Aufmärsche in Berlin von tausenden Gegendemonstranten durch Blockaden verhindert werden konnten, worauf er seine Demotätigkeit komplett eingestellt hat. In einem öffentlichen Statement erklärte er seinen Rückzug aus der Organisation weiterer Demonstrationen und aus der aktiven Politik.

 Die faschistischen Jugendlichen, die sich gerade in Kleinstgruppen zusammenfinden, sind noch keine SA. Die SA war in der Weimarer Republik eine straff organisierte Schlägertruppe, die einheitliche Uniformen (die so genannten ›Braunhemden‹) trug, ihre Gegner einschüchterte oder krankenhausreif schlug und Straßenterror zelebrierte. Zum Jahreswechsel 1932/33, kurz bevor die Weimarer Polit- und Wirtschaftseliten die Macht auf Hitler übertrugen, zählte sie 427 000 Mann. Davon sind die Neonazis heute noch weit entfernt.

Aber die Betonung liegt auf: ›noch‹. Noch stehen gewaltbereite Jugendliche und offen faschistische Kleinstgruppen am Anfang, um wirkungsvolle Straßeninszenierungen auszuprobieren. Noch tragen sie keine Uniformen. Und noch haben sie keine offizielle Verbindung zur AfD. Jetzt ist der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Jetzt können wir ihrem Aufbau einen Riegel vorschieben. Solange wir ihre Aufmärsche zu einer Niederlage machen, bleiben sie unattraktiv für ihr Zielpublikum.

Erfolgreicher Widerstand – aber es braucht mehr

Die Erfolge in Münster, Berlin und anderen Städten zeigen deutlich: Wirksamer Widerstand gegen Rechts funktioniert nur durch entschlossenes Handeln. Es bleibt entscheidend, rechte Aufmärsche konsequent zu blockieren und zu verhindern – diesen Weg müssen wir weitergehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an antifaschistischen Kundgebungen und Demonstrationen davon zu überzeugen, dass Protest allein nicht reicht und man die Kraftmeierei der Nazis aktiv unterbinden muss, indem man sich ihren Aufmärschen in den Weg stellt und ihnen eine Niederlage zufügt, ist entscheidend.

Die gut besuchten antifaschistischen Demonstrationen zeigen deutlich, dass ein wachsendes Bewusstsein für die Gefahren der AfD entstanden ist. Das wurde bei verschiedenen Protesten sichtbar, wie nach den Enthüllungen über das geheime AfD-Treffen im November 2023 in Potsdam, bei dem Pläne für millionenfache Abschiebungen diskutiert wurden, als die CDU Ende Januar 2025 gemeinsam mit der AfD einen umstrittenen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik durch den Bundestag brachte und aktuell angesichts der zunehmenden rechtsextremen Aufmärsche.

Doch das reicht nicht. Es genügt nicht, einfach nur ein Pappschild mit einem witzigen Spruch hochzuhalten. Wir dürfen den Nazis keinen Zentimeter Straße überlassen. Das bedeutet: Wir brauchen entschlossene, direkte Aktionen gegen Rechts. Doch auch hier reicht es nicht aus, wenn sich nur kleine autonome Gruppen zusammenfinden und vereinzelte Aktionen durchführen. Zwar haben auch solche Aktionen ihre Berechtigung, aber das Entscheidende ist: Wir müssen die Massen mobilisieren! Nur wenn wir eine deutliche Mehrheit gegen die Nazis auf die Straße bringen, die Kante gegenüber den Rechten zeigen, können wir den Rechtsextremen wirklich Einhalt gebieten.

Medien: Verharmlosung der Rechten, Diffamierung des Widerstands

Die Berichterstattung der Medien zeigt erneut ein fatales Ungleichgewicht: Die rechtsextremen Aufmärsche werden oft verharmlosend oder passiv dargestellt werden:

Bild titelte im Januar 2024 über eine Neonazi-Mahnwache in Frankfurt: »Trauernde Freunde gedenken« – ohne die Hakenkreuz-Aufnäher in der Menge zu erwähnen.

Der Spiegel bezeichnete Teilnehmer des ›Tags der deutschen Zukunft‹ 2023 als »besorgte Bürger«, obwohl Redner offen rassistische Hetze verbreiteten.

In ARD-Talkshows wird die AfD als »kontroverse Stimme« eingeladen, ohne ihre Extremismus-Verbindungen zu thematisieren.

Währenddessen stehen linke Protestaktionen regelmäßig unter Generalverdacht. Statt die reale Bedrohung durch Faschisten zu thematisieren, diffamieren viele Medien zivilgesellschaftlichen Widerstand als »übertrieben«. Gleichzeitig wird das schikanöse Vorgehen der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten entweder verschwiegen oder als »notwendig« dargestellt. Ausgeblendet wird hingegen, dass Politik und Polizei die Nazis und ihre Aufmärsche schützen.

Jeder verhinderte rechtsextreme Aufmarsch ist ein Sieg für den Antifaschismus. Aber wir müssen den Nazis auch den Nährboden entziehen. Wir müssen uns in soziale Kämpfe werfen, denn nur sie haben das Potenzial, dem auch bei Konservativen und Liberalen grassierenden Rassismus Einhalt zu gebieten. Je radikaler und breiter der Widerstand der Lohnabhängigen wird, desto weniger Raum bleibt Faschisten für ihre Propaganda und ihren Aufbau.

Von Berlin bis Münster: Wie Städte rechtsextreme Aufmärsche stoppen

Im letzten Winter und Frühling suchten Rechtsextreme in Berlin-Friedrichshain die Konfrontation – und erlebten eine deutliche Niederlage. Obwohl sie unter dem Deckmantel »Für Recht und Ordnung« auftreten wollten, zwang massiver ziviler Widerstand und eine umgeleitete Route sie in die Defensive. Berlin gab den Nazis keinen Meter – trotz massiver Polizeipräsenz zu ihren Gunsten.

Doch dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf die Hauptstadt. Selbst im vermeintlich ›bürgerlichen‹ Münster, wo die AfD bei der Bundestagswahl 2025 nur auf klägliche sechs Prozent kam, versuchen Neonazis, die Stadt einzuschüchtern. Doch auch hier zeigt sich: Die Zivilgesellschaft lässt sich nicht brechen.

Bereits am 31. Mai und 5. Juli scheiterten ihre Aufmärsche kläglich. Dank tausender Münsteraner, die sich den Faschisten in den Weg stellten, kamen die Nazis nur wenige Meter weit – und mussten schließlich umkehren. Doch sie geben nicht auf. Ihr Ziel ist klar: Sie wollen testen, wie weit sie gehen können, und ihre Präsenz normalisieren.

Doch Münster hat bewiesen: Hier haben sie keine Chance!

Aufruf zum Widerstand: Nazis blockieren – am 19. Juli in Münster und Berlin!

Jetzt kommt es darauf an, auch ihren nächsten Aufmarsch am 19. Juli um 12 Uhr in die Sackgasse zu führen. Gemeinsam können wir ihnen zeigen: Diese Stadt gehört nicht den Faschisten!











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