Am 2. Mai stufte der deutsche Inlandsgeheimdienst die AfD nun nach mehrjähriger Prüfung als »gesichert rechtsextrem« ein. Es wäre jetzt jedoch ein gefährlicher Irrweg, wenn Antifaschistinnen und Antifaschisten alle ihre Kräfte in ein Verbotsverfahren werfen – meint unsere Autorin Ada Aap.
Was alle längst wussten, hat der deutsche Inlandsgeheimdienst nun auch erkannt: Die AfD verfolgt »Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung«. Mit der nun offiziellen Beurteilung nimmt auch die Debatte zu einem Verbotsverfahren der AfD wieder an Fahrt auf.
Es ist richtig, zu erkennen, dass die faschistische AfD jetzt gestoppt werden muss: Im Windschatten des Aufrüstungswahns unserer künftigen Bundesregierung gelang es der Partei, sich mit nationalistischen Scheinargumenten als Friedenspartei zu inszenieren und stand in Umfragen daraufhin kurzzeitig sogar als stärkste Kraft da, noch vor der CDU. Das wiederum stärkt die Schlägernazis auf der Straße: In ganz Deutschland marschierten während der letzten Monate Tausende Faschisten gemeinsam mit ihren Kameraden von AfD und Querdenkern. Hundertausende in Deutschland erkennen aber eben auch die Gefahr, die von der AfD ausgeht und stellen sich ihr offen entgegen. Was ist die beste Strategie, um sie aufzuhalten?
Die Kampagne AfD-Verbot jetzt will die Abgeordneten des Bundestages unter Druck setzen, damit eine Mehrheit von ihnen einen Antrag auf das Parteiverbot an das Bundesverfassungsgericht (BVG) stellt. Dem Antrag auf Befassung im Bundestag hatten sich 124 von 736 Parlamentariern angeschlossen. Mindestens 245 hätten sich noch anschließen müssen. Mit der Neubewertung der AfD durch den Geheimdienst hätte ein Verbotsverfahren vielleicht wieder eine Chance – auch wenn gerade die konservativen Abgeordneten sich sehr zieren.
Die Kampagne AfD-Verbot jetzt will aber weitermachen und argumentiert: »Ein Verbot der AfD würde das Ende der staatlichen Finanzierung tausender Neonazis bedeuten«. Das stimmt, nur setzt das auch ein tatsächliches Verbot der Nazipartei durch das Bundesverfassungsgericht (BVG) voraus. Alles auf eine Karte zu setzen ist ein riskantes Spiel und läuft auf eine Politik des Konjunktivs hinaus – und ›würde‹, ›hätte‹, ›könnte‹ hat noch nie einen Nazi aufgehalten.
Bürgerliche Gerichte – kein Teil der Antifa
Würde ein Verfahren zustande kommen, wäre es sehr langwierig. Über drei Jahre hat das letzte gedauert, das ablehnend beschieden wurde. Und ob die Eröffnung eines Verfahrens auch zu einem AfD-Verbot führen würde, ist mehr als fraglich. Nur ein Mal hat das BVG überhaupt eine faschistische Partei verboten: 1952 die faschistische SRP. Das Verbot kam allerdings auf Druck der alliierten Besatzungsbehörden zustande.
In den beiden Verbotsverfahren gegen die faschistische NPD 2003 und 2017 hat das Gericht versagt. 2003 wurden V-Männer des Geheimdienstes in der Partei als Grund vorgeschoben, ein Verbotsverfahren gar nicht erst zu eröffnen. 2017 bewies das BVG dann selbst wenig Verfassungstreue.
Es stellte die Verfassungswidrigkeit der Ziele und des Handelns der Partei fest, verhängte aber kein Verbot, weil es »an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht« fehlt, »die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt«. Ein ›Erfolgskriterium‹ gibt das Grundgesetz aber schlichtweg nicht her. Ein Verfassungsgericht, das nicht mal nach der Verfassung urteilt, kann kein Partner im Kampf gegen Nazis sein.
Antifa ist Eigeninitiative
Unter Antifaschistinnen und Antifaschisten galt immer die Devise: Wehret den Anfängen. Nazis lassen sich am besten aufhalten, wenn ihre Organisationen noch nicht gefestigt sind und ihre Anhängerschaft noch klein ist. Nur der AfD räumten beträchtliche Teile der antifaschistischen Bewegung nach ihrer Gründung im Frühjahr 2013 eine Schonfrist ein. Die Partei sei ja noch keine Nazipartei, hieß es. Die SPD habe den Faschisten mit ihrem Sozialkahlschlag den Boden bereitet und sei deshalb der eigentliche Feind. Aber es ist ein Unterschied, ob man den Faschisten den Boden bereitet oder ob Nazis aktiv faschistische Organisationen aufbauen. Wenn wir die Nazis nicht aufhalten, brauchen wir uns mit der Sozialdemokratie gar nicht mehr zu befassen.
Heute ist die AfD eine Nazipartei und räumt bei Wahlen ab. Das heißt aber nicht, dass wir sie nicht mehr aufhalten könnten und als Bittsteller an die Türen des Staates klopfen müssten, der mit seiner neoliberalen Politik mit für ihren Erfolg verantwortlich ist. Eine Verbotskampagne schafft ein falsches Vertrauen in die bürgerliche Justiz und orientiert die Menschen, die wir so dringend auf der Straße brauchen, um die AfD zu konfrontieren und ihre Veranstaltungen zu verhindern, auf ein passives Abwarten eines Gerichtsurteils. Und wenn es keine aktive Massenbewegung gegen die AfD gibt, sieht sich auch kein Richter unter Druck.
Die Kampagne räumt selbst ein: »Durch ein Verbot verschwinden die AfD-Wähler*innen nicht«, nur um etwas trotzig nachzuschieben: »aber ohne ein Verbot verschwinden sie auch nicht«. Aber diese Wählerinnen und Wähler sind mehrheitlich noch keine überzeugten Nazis, sondern wählen die Partei aus Protest gegen den neoliberalen Einheitsbrei aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP. Am besten gewinnen wir sie, wenn wir gemeinsam Kämpfe gegen den Sozialabbau führen und gegen den Rassismus, mit dem die bürgerlichen Parteien unseren Widerstand gegen ihre Politik spalten wollen.
So hat die Kommunistische Partei Großbritanniens 1936 die faschistischen Schwarzhemden unter ihrem Führer Oswald Mosley aufgehalten. Die Kommunisten konfrontierten die Nazis damals in genau den Vierteln, in denen deren Hochburgen lagen – in den Slums des Londoner Eastend. Dort führten sie gemeinsam mit den Bewohnern Kämpfe gegen Vermieter und Unternehmer, wo die Faschisten nur antisemitische Propaganda anzubieten hatten.
Und als Mosleys Schwarzhemden in einem Aufmarsch ihre ›Herrschaft über die Straße‹ demonstrieren wollten, mobilisierten die Kommunisten gemeinsam mit Sozialdemokraten und jüdischen Organisationen 250 000 Menschen, die sich am 4. Oktober 1936 den 2000 Nazis und den 6000 zu deren Schutz abgestellten Polizisten in der berühmten Schlacht um die Cable Street entgegenstellten und sie auf hielten. Von dieser Schlappe sollten sich die Schwarzhemden nicht mehr erholen.
Kein Gericht der Welt könnte so etwas leisten.
Lies hier unser FAQ zur AfD