Breaking

Verteidigt die CSDs vor den Nazis!

Allgemein / 30. Juni 2025

Weltweit geht die politische Rechte vermehrt in die Offensive gegen die LGBTQ-Bewegung: Rechtsextreme verüben Anschläge auf CSDs, verbrennen Regenbogen-Fahnen, verprügeln Menschen, die den Stolz auf ihre sexuelle Identität, der hart erkämpft worden ist, gemeinsam leben und feiern möchten. Flankiert werden die rechten Mobilisierungen in Deutschland durch die Faschisten mit Anzug und Krawatte: der AfD, die mittels Sündenbock-Politik und diffamierenden Schlagwörtern wie „Gender-Gaga“ und „Frühsexualisierung“ Hetze schüren und die Parolen in den gewaltbereiten rechten Mob hineinrufen. Doch eine breite gesellschaftliche Mehrheit steht an der Seite der LGBTQ-Szene. Es ist an allen Linken, diese Solidarität auf die Straßen zu tragen: CSD statt AfD – Schützt die CSDs! 

von Jan-Christoph Pfeiffer

Schon im letzten Jahr wurden CSDs deutschlandweit durch rechte Mobilisierungen bedroht. Bei den etwa 200 CSDs 2024 kam es zu 32 angemeldeten Störaktionen durch Rechte. Bei 68 CSDs wurden Teilnehmende oder Infrastruktur angegriffen. In Görlitz wurde menschenverachtend skandiert „HIV, hilf uns doch, Schwule gibt es immer noch!“. Und insbesondere die Bilder vom Leipziger Hauptbahnhof blieben eindrücklich im Gedächtnis: Nachdem in Bautzen bereits 700 Rechte mit Rufen nach einem Nazi-Kiez parallel zum CSD marschierten, versammelten sich auch in Leipzig 350 Nazis gegen den CSD – mit Bannern in den Farben der Reichsflagge und der Aufschrift „Treue um Treue – Deutschland“. Vor dem Bahnhof wurden die Nazis von 800 Antifaschistinnen und Antifaschisten erfolgreich blockiert und mussten ihren Aufmarsch durch Leipzig schließlich absagen.

In diesem Jahr hat die sogenannte Pride Season gerade erst begonnen, und schon ist absehbar, dass 2025 noch mehr CSDs mit rechten Störaktionen rechnen müssen. In Bad Freienwalde kam es zu einem Angriff auf das Vielfalt-Fest „Bad Freienwalde bleibt bunt“: Vermummte Rechtsextreme stürmten die Veranstaltung mit Holzlatten und Schlagwaffen und verletzten mehrere Anwesende. In dem Ort haben bei der Bundestagswahl 40% die AfD gewählt. In Berlin Marzahn meldeten Neonazis einen CSD-Gegenprotest an unter dem Motto „Gegen Identitätsverwirrung und Genderpropaganda“. In Pforzheim marschierten 70 Rechtsextreme gegen den CSD auf. Nur einige wenige Beispiele von vielen.

Globale Hetzkampagne gegen „Gender-Ideologie“

Die Angriffe auf CSDs in Deutschland sind Teil einer globalen Offensive. Ob Trump, Orban oder die AfD: Der Begriff der „Gender-Ideologie“ steht heute im ideologischen Zentrum der extremen Rechten. Es ist eine Begrifflichkeit, die von Abtreibungs- und Gleichstellungsgesetzen, bis hin zu Ehe für alle und Transrechten alles bedeuten kann.

In Großbritannien urteilte der Oberste Gerichtshof in London Mitte April diesen Jahres: Gleichstellungsgesetze zum Schutz von Frauen schließen in Zukunft Transfrauen aus. Die Entscheidung gilt als weitreichend, beispielsweise bei der Frage, ob Transfrauen bei Frauenquoten als Frauen gezählt werden, ob sie Orte wie Damenumkleiden benutzen dürfen oder von aktivistischen Gruppen ausgeschlossen werden können.

Ende desselben Monats verabschiedete das ungarische Parlament eine Verfassungsänderung, die öffentliche Veranstaltungen von Mitgliedern der LGBTQ-Community verbietet, auch die Pride Parade wollte der rechte Regierungschef 2025 Orban verbieten lassen.

US-Präsident Trump verklagte Maine, weil der Bundesstaat transsexuellen Sportlerinnen und Sportlern den Zugang zu Schulen erlaubt, im Januar unterzeichnete der US-Präsident ein Dekret, das den US-Bundesbehörden den Einsatz von DEI-Programmen verbietet (DEI steht für Diversity, Equity, Inclusion, also für Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion). Trump-nahe Abgeordnete im US-Bundesstaat Arkansas haben sogar ein Gesetz vorgeschlagen, das das Tragen von „non-geschlechtskonformen“ Frisuren für Minderjährige unter Strafe stellen soll.

In Deutschland wird die Dynamik dieser Offensive im Parlament von der AfD vorangetrieben. Auch in diesem Jahr mobilisiert die Partei wieder zum sogenannten “Stolzmonat”, einer von Rechten organisierten Gegenbewegung zum Juni als “Pride-Month”. Im Juni 2025 organisierte sie in Hannover gar einen sogenannten „Kinderschutzkongress“, wo es um „Frühsexualisierung, Gender-Wahn und Abtreibung“ gehen sollte. Vor Ort meinte AfD-Bundespolitikerin Beatrix von Storch: „Die Regenbogenfahne ist ein extremes Symbol, das nicht für Vielfalt steht, sondern für eine Agenda, die bis in die Kita hinein Masturbationsräume betreibt.“

Ein Klima, das geprägt ist von eskalierenden gesellschaftlichen Krisen – von steigenden Lebenshaltungs- und Mietkosten bis zum drohenden Atomkrieg – schafft die Bedingungen dafür, dass Minderheiten von den Herrschenden zur Zielscheibe und zu Sündenböcken erklärt werden, um vom Ausmaß ihrer Verantwortung für die vielfältigen Krisen abzulenken. Die extreme Rechte greift diese Tendenz auf und deutet die Unzufriedenheit um, die sie dann wahlweise gegen die LGBTQ-Bewegung, Geflüchtete oder Migrantinnen und Migranten richten, vor deren „wesensfremden Einflüssen“ die Nation „geschützt“ werden müsse, um zu „traditionellen und ursprünglichen Werten“ zurückzukehren. Doch die spürbare soziale Zerrüttung hat ihren Ursprung nicht etwa in der Existenz von – so die Rechten – „Ausländern und queeren Eliten“. Tatsächlich ist die Lebensrealität von vielen queeren und migrantischen Menschen zunehmend prekär. Der Ursprung liegt stattdessen in einem System, das auf Ausbeutung, Spaltung, Profit und Konkurrenz ausgelegt ist, gegen das wir gemeinsam kämpfen müssen.

Zurück zum Ursprung der CSDs: Geist von Widerstand und Rebellion

Klar ist: Der Angriff der AfD und der Nazis auf den Straßen auf CSDs ist nicht zuletzt ein Angriff auf den Geist des Widerstandes und der Massenmilitanz, aus der er geboren wurde: Am 28. Juni 1969 stürmte die Polizei das Stonewall Inn in New York, einem bekannten Treff der homosexuellen Szene in der Christopher Street. Die darauffolgenden sechs Nächte waren Nächte voller Ausschreitungen. Sie markierten die Geburtsstunde einer militanten Bewegung für die Befreiung der Homosexuellen. (Lies hier unseren Artikel über den Ursprung des CSD und den Stonewall Riots.)

Heute steht der CSD nicht nur für den Kampf um sexuelle Selbstbestimmung, sondern auch für Geschäft und steht damit im Widerspruch zum ursprünglichen kämpferischen Gedanken der Bewegung. Die Veranstalter der CSD-Demonstrationen in Deutschland werben offensiv um Sponsoren. Firmen wie Microsoft, Vattenfall, Deutsche Bahn oder Google schmücken sich gern mit der sympathischen Regenbogen-Aura der Bewegung als divers, weltoffen und tolerant – solange es ihnen opportun erscheint. Dass profitgesteuerte Konzerne keine verlässlichen Partner für die Befreiung der LGBTQ-Szene sind, zeigt sich in einer neuen Entwicklung: Trump übt immer stärkeren Druck aus auf internationale Konzerne, sich aus Diversitätsprogrammen zurückzuziehen. Diese fallen nun auch in Deutschland als Geldgeber von CSDs aus. In Berlin entsteht so laut Veranstaltern ein Finanzloch von etwa 200.000 Euro.

Widerstand formiert sich: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle!

Die globalen Rechte versucht längst, die Fortschritte und Erfolge, die mutige Aktivistinnen und Aktivisten hart erkämpft haben, zurückzudrehen. Der gesellschaftliche Rollback zeigt umso deutlicher: Sexuelle Befreiung und Transrechte sind im Kapitalismus niemals garantiert, sondern müssen immer neu erkämpft werden. In diesem Umfeld schält sich der politische Charakter der CSDs trotz Volksfestcharakter notgedrungen neu heraus.

Vielen Menschen wird bewusst: Wenn sie ihre Rechte behalten wollen, müssen sie dafür auf die Straße gehen. Die Gegenbewegung hat dies längst erkannt und steht in den Startlöchern: Allein in London protestierten 30.000 gegen die Einschränkung von Transrechten. Bei der Budapest Pride demonstrierten trotz Verbot und drohender Strafen 200.000 Menschen für queere Befreiung und gegen Orban, in Ostdeutschland finden dieses Jahr trotz der realen Bedrohungslage mehr als 50 CSDs statt – so viele wie nie zuvor. In Hannover stellten sich fast 1.000 Menschen dem homophoben „Kinderschutzkongress“ der AfD mit nur 80 Teilnehmenden entgegen. Deutschlandweit bilden sich Bündnisse, um Nazis von den CSDs zu vertreiben (etwa die Instagram-Initiative „CSDs verteidigen“, auch bei Aufstehen gegen Rassismus findet ihr Termine zum Aktivwerden).

Der Kampf um die Befreiung von LGBTQ-Menschen ist unser gemeinsamer Kampf – sowohl als Ausdruck unserer Solidarität mit allen Unterdrückten als auch weil wir die Faschisten jetzt stoppen müssen, die unserer Gesellschaft ihren reaktionären Albtraum aufzwingen wollen. Deshalb: Raus auf die Straßen, verteidigt die CSDs gegen die Nazis!











Previous Post

Die Angriffe Israels auf den Iran

Next Post

»Die jüdische Welt von innen dekolonisieren«




More Story

Die Angriffe Israels auf den Iran

Seit fünf Tagen greift Israel den Iran mit Flugzeugen und Raketen an. Das erklärte Ziel ist nicht nur die Zerschlagung...

19. June 2025