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Friedenspartei AfD?

Deutschland / Faschismus & Antifaschismus / 20. Mai 2025

Warum die Faschisten Kreide fressen – und die Linke nicht darauf hereinfallen darf

Am 18. März wurde im Bundestag über die Grundgesetzänderung für eine unbegrenzte Aufrüstung abgestimmt. Die AfD votierte geschlossen mit „Nein“. Mit Blick auf den Ukrainekrieg argumentierte sie frühzeitig für Verhandlungen mit Russland. Davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen, argumentiert Arthur Radoschewski.

Als am 15. März am Brandenburger Tor gegen den bevorstehenden Aufrüstungsbeschluss des Bundestages demonstriert wurde, kam es am RevoLinks-Stand zu Diskussionen. Wir hatten Plakate und ein RevoLinks-Extra dabei, in denen nicht nur die Aufrüstung, sondern auch die AfD angriffen wurde. Manche Besucher am Stand sahen darin eine „Spaltung“ der Bewegung. Das gleiche passierte uns beim diesjährigen Ostermarsch.

Um es klar zu sagen: Die Mehrheit in der Friedensbewegung positioniert sich klar gegen die AfD und auf der politischen Linken. Aber in einer Zeit, da Grüne und SPD zusammen mit der CDU/CSU Waffenlieferungen und unbegrenzte Aufrüstung vorantreiben, und auch die Linkspartei sich nicht geschlossen und deutlich dagegen positioniert, lassen sich nicht Wenige von der AfD täuschen.

Eine Partei der Uniformträger

Tatsächlich ist die AfD eine militaristische Partei mit tiefen Verbindungen in Bundeswehr und Rüstungsindustrie. Fakt: Mit 6 % ist der Anteil der Soldaten an AfD-Mitgliedern sehr viel höher als in der Gesellschaft. Wenn in den vergangenen zehn Jahren rechtsextreme Netzwerke in und um Bundeswehr oder Polizei aufgeflogen sind, waren immer auch AfD-Mitglieder dabei.

So wurde die Chatgruppe „Nordkreuz“ 2016 vom AfD-Mitglied Marko Gross gegründet. Mitglieder dieser Gruppe legten Listen von Linken an, die im Krisenfall zu erschießen seien. Gross versandte Bilder von Soldaten, die mit ihren Waffen auf einen am Boden liegenden Menschen zielten; darunter stand: „Asylantrag abgelehnt“.

Die AfD distanziert sich regelmäßig von diesen Auswüchsen. Tatsächlich haben sie System. Die Partei zieht militaristische und gewaltbereitbereite Personen an, eben weil sie eine Nähe zu den Gewaltapparaten hat – angefangen in der Bundestagsfraktion selbst.

Im Verteidigungsausschuss saßen in der letzten Wahlperiode mit Jan Nolte ein früherer Oberbootsmann der Marine mit Nähe zum rechtsradikalen Publizisten Jürgen Elsässer; mit Gerold Otten der ehemalige Verkaufschef des Kampfflugzeugs Eurofighter bei Airbus Defence and Space; mit Oberst Rüdiger Lucassen ein ehemaliger Dezernatsleiter im Bundesverteidigungsministerium, der später als Geschäftsführer einer GmbH „Dienstleistungen im Bereich der Ausbildung und Beschaffung für militärische und polizeiliche Organisationen anbot“.

Aufrüstung, Atomwaffen, Wehrpflicht

Nun mag man sich fragen: Wie hat eine bundeswehrnahe Partei den Weg zu Positionen der Friedensbewegung gefunden? Die Antwort ist einfach: Sie hat es nicht.

Tatsächlich war die AfD immer für Aufrüstung. Als nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges 2022 Bundeskanzler Scholz ein Sondervermögen für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro ankündigte, vertrat Gerald Otten im Bundestag die Position der AfD. Er sagte:

„100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind dringend notwendig. Wenn Sie aber den Wiederaufbau unserer Streitkräfte ernsthaft wollen, braucht die Bundeswehr deutlich mehr Geld und das über einen längeren Zeitraum. Es erfordert künftig einen stetigen und berechenbaren Aufwuchs des Verteidigungsetats.“

Rüdiger Lucassen, Obmann der AfD im Verteidigungsausschuss, ging in diesem Jahr noch weiter. Er sagte dem Nachrichtenportal t-online im Zusammenhang mit der Aufrüstungsdebatte im März: „Deutschland braucht eigene Atomwaffen und zwingend eine Wehrpflicht – auch für Frauen. Dafür muss so schnell wie möglich das Grundgesetz geändert werden“.

Mediale Zerrbilder

Diese AfD-Positionen für mehr Aufrüstung, Atomwaffen und Wehrpflicht sind nicht neu, sondern finden sich bereits im Grundsatzprogramm oder Äußerungen von Abgeordneten wieder. Auch stimmt die AfD seit einem Jahrzehnt für fast alle sogenannten 25-Millionen-Vorlagen im Bundestag. Dabei handelt es sich um Haushaltsanträge, die den Abgeordneten im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss zu Rüstungsprojekten mit einem Wert von über 25 Millionen Euro regelmäßig zur Abstimmung vorgelegt werden.

Dennoch glauben manche in der Friedensbewegung – und im Umfeld von Wagenknechts Partei BSW –, dass die AfD ein Bündnispartner sein könnte. Warum ist das so?

Zum einen, weil die Medien praktisch nie über die militaristischen AfD-Positionen berichten. Warum sollten sie auch? Schließlich befinden sich ja derzeit alle Parteien der bürgerlichen „Mitte‘“ in einem Überbietungswettbewerb für mehr Aufrüstung. Stattdessen empören sich die Medienmacher, wenn die AfD sich als Gegner bestimmter Auslandseinsätze oder von Waffenlieferungen an die Ukraine inszeniert – und vermitteln so im Umkehrschluss das Bild, die AfD sei tatsächlich eine Partei des Friedens.

Das nutzt der AfD. Denn Krieg ist verhasst. Niemand will Krieg – selbst jene, die Krieg führen oder antreiben, stellen ihn als unausweichliches Übel da, das uns andere aufgezwungen haben. Insbesondere in Deutschland, wo die Erinnerung an die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs so lebendig wie an die Kriegsangst im Kalten Krieg ist, kann die AfD von der medialen Verzerrung profitieren.

Viele in der AfD mögen Putin, weil er ein autoritärer, homophober Nationalist ist. Und auch, weil er imperiale Ziele mit Krieg durchsetzt. Doch letzteres kann die AfD erfolgreich überspielen, weil die Bundesregierung und Rot-Grün ihrerseits nur auf militärische Eskalation gesetzt hat.

Grundgesetzänderung nutzt der AfD

Der Aufschwung der AfD in den aktuellen Umfragen hat viel mit ihrer Opposition gegen die Grundgesetzänderung für unbegrenzte Aufrüstung zu tun, die CDU/CSU, SPD und Grüne im März durch den Bundestag gepeitscht haben. Diese Parteien haben der AfD mal wieder eine passende Gelegenheit gegeben, sich als Anti-Systempartei zu präsentieren.

Man musste allerdings genau hinhören: Die AfD hat ihr Nein gar nicht mit der beschlossenen Aufrüstung begründet. Sondern ausschließlich mit dem Widerstand gegen das gleichzeitig zur Abstimmung vorgelegte Sondervermögen für Infrastruktur.

Fraktionsvorsitzende Alice Weidel behauptete, das Schuldenpaket sei „ein Angriff auf die Zukunft unserer Kinder und Enkel“. Zur Aufrüstung sagte sie kein Wort. Weidel kritisierte konkret lediglich 50 Milliarden Euro „für sogenannte Klimaprojekte“, die „linksgrünen Vorfeldorganisationen und NGOs“ zugutekämen.

Was die Ausgaben für Aufrüstung angeht, hat die AfD nur eine Kritik: Dass die deutsche Rüstungsindustrie zu kurz kommt.

In einem Antrag von 2024 bemängelt sie: „Seit fast drei Jahrzehnten wurde die deutsche Bundeswehr samt Rüstungsindustrie systematisch vernachlässigt. Im aktuellen Ranking der 15 größten Rüstungskonzerne der Welt 2022 sind die USA auf 7 Positionen, China auf 4 Positionen und sogar Großbritannien, Frankreich und Italien vertreten. Kein einziges deutsches Rüstungsunternehmen ist derzeit unter den 15 größten Rüstungsunternehmen der Welt aufgelistet.“

Das müsse sich ändern. Die AfD nennt konkrete Projekte von Rheinmetall und anderen deutschen Firmen, die „im Rahmen des erhöhten Verteidigungsetats“ bei der Vergabe zu priorisieren seien, anstatt Milliarden für amerikanische und israelische Rüstungsgüter auszugeben. Sie greift in dem Antrag SPD-Kanzler Scholz an, dass erst der „Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zum Anlass für ein 100 Milliarden Euro umfassendes Sondervermögen für die Bundeswehr“ genommen wurde.

Die AfD wollte und will Geld ohne Ende für die Aufrüstung des deutschen Nationalstaats, zum Wohle der deutschen Rüstungsbarone. Aber sie hat keine Probleme damit, eine außen so sichtbare Abstimmung wie die Grundgesetzänderung für mehr Aufrüstung für ein „Nein“ zu nutzen, um aus den Kriegsängsten Kapital zu schlagen.

Faschistische Demagogie

Was viele übersehen: Faschisten haben keine prinzipientreue Linie, die sie stets und immer befolgen. Sie profitieren, wenn Angst und Verzweiflung die Mittelschichten erreichen und es keinen Ausweg aus der Krise zu geben scheint. Dafür bemühen sie Sündenböcke und Verschwörungstheorien. Die sind allerdings beliebig austauschbar.

So hatte die AfD zum Beispiel auch in der Corona-Krise einen 180-Grad-Schwenk hingelegt. Zunächst versuchte sie zu Jahresbeginn 2020, die Pandemie als ein von „Ausländern“ verschuldetes Problem darzustellen und so rassistische Stimmungen zu erzeugen. So polemisierten AfD-Abgeordnete gegen Chinesen, die Fledermaussuppe gegessen hätten, oder forderten Einreiseverbote gegen Iraner als Keimherd der Seuche.

Nachdem das nicht verfing, schwenkte die AfD einfach um: Die Pandemie sei nur erfunden, der Corona-Virus harmlos, oder existiere eigentlich gar nicht. Alice Weidel nannte die getroffenen Maßnahmen ein „Mittelstandsvernichtungsprogramm“.

Genauso hat es sich mit dem Krieg in der Ukraine. Es kostet die AfD gar nichts, die berechtigte Angst vor einer Eskalation des Krieges demagogisch auszunutzen. Gleichzeitig machen sie Stimmung gegen die ukrainischen Flüchtlinge, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben. Obgleich viele von ihnen rasch den Weg in den Arbeitsmarkt gefunden haben, wird von der AfD das Bild gezeichnet, als ob uns die Kriegsflüchtlinge „auf der Tasche liegen“. Hauptsache, sie können gegen Sündenböcke hetzen.

Die AfD befindet sich mit dieser Prinzipienlosigkeit ganz in der faschistischen Tradition. Nachdem Hitlers erster Putschversuch im Jahr 1923 scheiterte, gab er sich legalistisch, um die bürgerlichen Kräfte zu verwirren. Einmal an der Macht, kombinierte er revanchistische Rhetorik mit Bekenntnissen, eigentlich nur Frieden zu wollen.

Leo Trotzki schrieb dazu 1933: „Hitler ist bereit, alle Zäune aller Kriegsfabriken mit pazifistischen Reden und Nichtangriffspakten zu bekleben.“

Deutschland als Führungsmacht

Die Friedensbewegung darf sich nicht beirren lassen: die AfD will vielleicht keine NATO. Aber nicht, weil sie gegen Militarismus oder Aufrüstung wäre, sondern weil sie gegen die US-Vormacht ist. Die AfD will ein hochgerüstetes Deutschland, das selbständig Kriege führen kann.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck formulierte es jüngst so: Russland sei weder Feind, noch Freund. Sollte es tatsächlich zu einem Nato-Austritt der USA kommen, „muss Deutschland die führende Rolle in dem Bündnis übernehmen. Deutschland braucht einen eigenen nuklearen Schutzschirm.“

Das ist keine Position, die zum Frieden führt, sondern direkt in den nächsten Krieg.


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