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Streiken lohnt sich! IG BAU erkämpft massive Lohnzuwächse

Arbeitskämpfe & Gewerkschaft / 24. Juli 2024

 

Im Mai haben die Bauleute der IG BAU viele Baustellen in ganz Deutschland bestreikt. Im Juni gab es eine Einigung. Ergebnis: Der höchste Lohnzuwachs im Bau seit Jahrzehnten. Das zeigt: Kämpfen zahlt sich aus – und doch wurden auch unnötige Zugeständnisse gemacht, meint Jannis Wahoff.

Im Mai standen überall im Land immer wieder Baustellen still. Der Grund: Ein Streik der Bauleute der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Sie forderten 500 € mehr im Monat – und zwar für alle: Für alle Lohn- und Gehaltsgruppen, und auch für Azubis.

Die IG BAU nutzte die Gunst der Stunde. Nicht nur marschierten deutschlandweit tausende Bauleute auf Streikdemos. Die IG BAU erhöhte den Druck mit Blick auf die Fußball-EM. So hatten manche Städte dem Europäischen Fußballdachverband UEFA vertraglich die Fertigstellung mancher Baustellen bis zum Mai vertraglich zugesichert. Die IG BAU kündigte an, dass genau diese Baustellen bestreikt werden könnten. Das zeigte Wirkung und erhöhte die Verhandlungsbereitschaft der Arbeitgeberseite.

Erster Streik seit 17 Jahren

Bis es tatsächlich zu Streiks kam, war es ein langer Weg: Während es bei Tarifrunden anderer Gewerkschaften bereits während der Verhandlungen oft zu Warnstreiks kommt, gibt es im Bauhauptgewerbe ein Abkommen mit einer besonders langen „Friedenspflicht“. Während der Verhandlungen und der verpflichtenden Schlichtungsrunde darf nicht gestreikt werden.

Erst wenn die Schlichtung von einer Seite abgelehnt wird, darf gestreikt werden. Dieses System ohne Möglichkeit zu Warnstreiks ist der Grund dafür, dass es seit 17 Jahren gar keine Streiks im Baugewerbe mehr gab. Ohne Kämpfe wurden dann oft faule Kompromisse akzeptiert.

Bauwirtschaft verkalkuliert sich

In der aktuellen Tarifrunde lag Mitte April ein Schlichterspruch vor. Er sah über zwei Jahre gestreckt zunächst ein Lohnplus von 250 Euro vor (allerdings nicht für Azubis), dann im zweiten Schritt ungefähr 4% Lohnzuwachs. Die IG BAU nahm diesen Vorschlag an – doch der Bauwirtschaft war das zu viel. Die Arbeitgeber boten stattdessen zweimal plus 3 % bei einer Laufzeit von zwei Jahren an.

Die Vertreter der Bauunternehmen behaupten unterdessen, es gäbe eine große Krise in der Branche. Das war eine glatte Lüge. Lediglich der Einfamilienhausbau steckt in Schwierigkeiten – die Baubranche als Ganze hat 2023 fette Gewinne gemacht, bei einem Umsatz von 162 Milliarden Euro!

Im Streik forderte die IG BAU dann 500 Euro pro Jahr mehr für alle. Besonders für Azubis würde das den Lebensunterhalt sichern: Je nach Ausbildungsberuf und -jahr lag die Vergütung hier oft unter 1000 Euro – das war schon vor zehn Jahren wenig. Heute ist so eine Entlohnung für meist körperlich anstrengende Vollzeitausbildungen eine Beleidigung.

Bauarbeiter trotzen der Polizei

Die Gewerkschaftsbürokratie hätte den Streik gern vermieden. Doch die Kampfbereitschaft war hoch und trieb sie nach vorn.

Dies zeigte sich an einem Beispiel: So sollte etwa am 14. Mai in Duisburg eine Streikkundgebung wegen nicht fristgerechter Anmeldung aufgelöst werden. Die Kolleginnen und Kollegen widersetzten sich dem Verbot der Polizei und marschierten stattdessen laut durch die Innenstadt. Weil die Gewerkschaft gute Forderung aufstellte, waren die Bauleute bereit, für sie zu kämpfen!

Diese Kampfeskraft kam für viele unerwartet und führte zu einem neuen Kompromiss, den die Gremien der IG BAU und der Kapitalverbände im Juni annahmen. Er beinhaltet die überfällige Angleichung der Löhne zwischen Westen und Osten, Lohnerhöhungen von mindestens 260 Euro, und dann prozentuale Lohnerhöhungen in zwei weiteren Schritten.

Luft nach oben

Das ist der beste Tarifabschluss im Bau seit Jahrzehnten. Es zeigt auch, wie viel die Lohnabhängigen zu gewinnen haben, wenn sie sich organisieren und zusammen kämpfen.

Allerdings ist das Ergebnis nicht perfekt. Der neue Tarifvertrag läuft über drei Jahre und damit viel zu lang. Eine kürzere Laufzeit hätte die gewonnene Kampfkraft früher neu anzapfen und damit die Gewerkschaft auch noch attraktiver für viele Kolleginnen und Kollegen machen können. Auch wurden die Azubis nicht im gleichen Maße wie gefordert berücksichtigt und schuften weiter unter Mindestlohn.

Ungeachtet dieser leichtfertigen Zugeständnisse durch den hauptamtlichen Apparat hat die Streikwelle nun nach vielen Jahren der Flaute im Klassenkampf auch den Bau erreicht. Die dabei gewonnenen Erfahrungen der Solidarität sind besonders wichtig in Zeiten, wo die Faschisten der AfD sich als „Arbeiterversteher“ gegen die Ampelparteien präsentieren und das Gift des Rassismus auf die Baustellen tragen. Im Bau – wie in anderen Branchen – gewinnen wir nur, wenn wir gemeinsam kämpfen.


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