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Migration – Die Lüge von der „Überforderung”

Deutschland / 4. Januar 2025

Ein Kommentar von Lukas Weber

Migration wird in aktuellen politischen Debatten in Deutschland fast ausschließlich als Belastung dargestellt. Die Zuwanderung „überfordere“ das Gemeinwesen, die Kommunen oder die ‚Integrationsbereitschaft‘ der Bevölkerung. Das ist die etwas nettere Umschreibung für eine Parole aus den 90ern: „Das Boot ist voll“.

Tatsächlich ist die gesamte menschliche Geschichte eine Geschichte ununterbrochener Wanderungsbewegungen. Dies hat den Reichtum von Gesellschaften enorm erhöht.

Wenn neue, arbeitsfähige Menschen in ein Land kommen, dann verbrauchen sie nicht nur, sie produzieren auch und zahlen Steuern. Deshalb ist es Unsinn zu glauben, „Ausländer“ nehmen „uns“ die Arbeitsplätze weg.

Im Kapitalismus bewegt sich die Haltung der Herrschenden zur Migration immer in einem Spannungsfeld. Neuankömmlinge lassen sich leicht gegen die eingesessene arbeitende Bevölkerung ausspielen. Karl Marx bezeichnete die rassistische Spaltung der Arbeiterklasse deshalb schon im 19. Jahrhundert als „das Geheimnis der Machterhaltung der Kapitalistenklasse“. Die Lohnabhängigen lassen sich als „Engländer“ gegen „Iren“, „Deutsche“ gegen „Muslime“ oder sonstwie ausspielen. Dies hält sie ab, ihr gemeinsames Interesse an der Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung zu erkennen.

Billige Arbeitskräfte

Andererseits wollen die Kapitalisten möglichst ausreichende und billige Arbeitskräfte. Ist die „industrielle Reservearmee“ der Arbeitssuchenden im eigenen Land nicht groß genug dafür, wird gern die Not von Migranten ausgenutzt, um die Löhne zu drücken. Außerdem ist es günstiger für die Herrschenden, Fachkräfte aus anderen Ländern anzuwerben, in deren Ausbildung man nicht mehr investieren muss.

Als nach dem Sturz des Assad-Regime im Dezember plötzlich von CDU-Politikern wie Jens Spahn die Abschiebung zahlreicher syrischer Arbeitskräfte in den Raum gestellt worden ist, schrie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) auf. Fachleute rechneten vor: Insgesamt haben 222.000 Syrer in Deutschland einen sozialversicherungspflichtigen Job. Ihre Beschäftigungsquote nähere sich der normalen Quote an, nach nicht einmal zehn Jahren.

Das ist der Grund, warum die Bundesregierung sogenannte „Migrationsabkommen“ mit anderen Ländern schließt, wie im September mit Kenia. Die Einwanderung von Fachkräften nach Deutschland soll so erleichtert werden, während sich die kenianische Regierung im Gegenzug verpflichtet, Menschen aufzunehmen, die aus Deutschland abgeschoben werden. Die herrschende Klasse sieht Einwanderung so unter einem reinen Verwertungsaspekt: Kommen darf, wer möglichst profitabel ausgebeutet werden kann. Alle anderen sollen draußen bleiben oder wieder gehen.

Deutschland ist kein Boot

In Wahrheit ist Deutschland kein „Boot“, das überlaufen könnte. Es ist eines der reichsten Länder der Erde und schon immer ein Einwanderungsland. Migranten kommen seit Jahrhunderten in großer Zahl nach Deutschland, wurden integriert und selbst zu Einheimischen. So wanderten mit den Hugenotten aus Frankreich enorme technische Fähigkeiten nach Preußen im 18. Jahrhundert ein, schufteten Hundertausende Polen in den Kohlerevieren des Ruhrgebiets im 19. Jahrhundert und bauten „Gastarbeiter“ aus Italien, Spanien, Griechenland oder der Türkei das zerstörte Nachkriegsdeutschland im Westen auf – und Vietnamesen, Angolaner oder Mosambikaner im Osten.

Was möglich ist, wenn der politische Wille zur Integration da ist, zeigte sich am Beispiel von rund einer Million Geflohenen aus der Ukraine im Jahr 2022. Sie wurden nicht monate- oder jahrelang in zentralen Lagern zusammengepfercht und mit Arbeitsverboten belegt wie andere Geflüchtete. Viele von ihnen waren in kürzester Zeit in den Arbeitsmarkt integriert.

Der Feind kommt nicht im Schlauchboot

Tatsächlich gibt es ein Problem: Viele Kommunen, die für die Unterbringung zuständig sind, werden systematisch unterfinanziert. Und ganz generell gibt es zu Wenig bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen in Deutschland – eingewandert oder nicht. Doch das Problem existiert, solange Wohnen von einem Immobilienmarkt geregelt werden soll, wo es um das Auspressen extremer Profite geht. Um endlich die Reichen zur Kasse zu bitten, müssen wir – egal welcher Herkunft – gemeinsam kämpfen und uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Denn: Der Feind kommt nicht im Schlauchboot. Er kommt in der Limousine.


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