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Weder Putin noch NATO! Was steckt hinter der Eskalation im Ukrainekrieg?

International / 17. Juni 2024

Anfang Juni stimmten US-Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz dem Einsatz gelieferter Waffen gegen Ziele in Russland zu. Putin ließ daraufhin den Atomkrieg üben. Der Ukrainekrieg eskaliert seit zwei Jahren immer weiter und bringt uns einem neuen Weltkrieg näher.

Im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen. Putins Ziel war es ursprünglich, in Kiew ein russlandfreundliches Regime einzusetzen. Doch der Einmarsch vom nördlich angrenzenden Weißrussland auf die ukrainische Hauptstadt scheiterte. Er stieß auf Widerstand in der ukrainischen Bevölkerung. Weißrussische Eisenbahnarbeiter sabotierten in Solidarität mit den Ukrainern den russischen Truppentransport.
Auch in Russland selbst schlug Putin Widerstand entgegen. Eine massive Bewegung gegen den Krieg entbrannte im Frühjahr 2022. Die russische Polizei schlug sie mit viel Aufwand nieder – mindestens 15.000 Menschen wurden verhaftet.

Abnutzungskrieg

Seitdem hat sich der Charakter des Krieges gewandelt. Er ist zu einem reinen Abnutzungskrieg zwischen einem von den USA geführten westlichen Staatenbündnis und Russland geworden. Denn die Regierung in Kiew handelt nicht mehr unabhängig, sondern als Stellvertreter für die NATO-Führungsmächte.

Die NATO versorgt Ukraine mit Informationen und Zielkoordinaten. Es sind Waffen und Munition aus dem Westen, von der die ukrainische Armee abhängt. In den ersten beiden Jahren wurde die Regierung in Kiew allein aus den USA mit umgerechnet über 70 Milliarden Euro unterstützt, davon über 40 Milliarden Euro an direkter Waffen- und Ausrüstungshilfe. Deutschland folgt auf Platz mit Unterstützung in Höhe von insgesamt 23 Milliarden Euro. EU-Institutionen überwiesen in den ersten beiden Kriegsjahren knapp 80 Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung für den Krieg nach Kiew.

Was die eingesetzten Waffen angeht, werden immer neue rote Linien überschritten. Russische wie ukrainische Truppen setzen Streubomben ein. Diese sind „völkerrechtlich geächtet“, da herumliegende Bombensplitter die Zivilbevölkerung auch Jahre nach Kriegsende noch bedrohen. Dennoch liefern die USA Kiew seit Juni 2023 genau diese Waffen. Die Bundesregierung weiß das – und akzeptiert den Einsatz in der Ukraine stillschweigend.

Die Logik des Krieges wirft die Frage nach dem Einsatz von NATO-Bodentruppen auf, wie sie Frankreichs Präsident Macron mehrfach forderte. Die Verwendung komplexer NATO-Raketensysteme macht die Anwesenheit von NATO-Militärberatern heute schon erforderlich. Dies kam heraus, als Kanzler Scholz sich auf einer Pressekonferenz zu Beginn des Jahres verplapperte, wonach britische Militärangehörige längst in der Ukraine zu diesem Zweck präsent seien. Im Juni nun sagte General Charles Brown, ein führender US-Militär, dass die Entsendung von NATO-Militärausbildern unvermeidlich sei – auch wenn diese dadurch in Schussweite der russischen Artillerie geraten könnten.

Eskalation ohne Ende

Der Krieg macht schon lange nicht mehr Halt an der ukrainischen Außengrenze. Über die Angriffe Russlands auf die ukrainische Energieversorgung wird weithin in Deutschland berichtet. Verschwiegen wird meist, dass auch die Ukraine massenhaft mit billigen Drohnen Ziele der russischen Energieversorgung angreift. Pro Monat verbraucht allein die Ukraine rund 10.000 dieser Drohnen zu Aufklärungs- und Angriffszwecken.

Seit Juni nun werden auch Raketen und Granaten aus NATO-Lieferungen gegen Ziele in Russland verschossen. Begründet wird dies mit dem Schutz der Großstadt Charkiw, die von Putins Truppen aus dem nahegelegenen russischen Staatsgebiet beschossen wird. Absehbar, dass Putin mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagieren wird. Daher ist nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Frontabschnitte für NATO-Waffen freigegeben werden. Insbesondere die von den USA gelieferten taktischen Langstreckenraketen ATACMS können zahlreiche Ziele tief in Russland treffen, wie die nebenstehende Grafik verdeutlicht. Die NATO und Russland nähern sich bedrohlich der Schwelle zu einem direkten Krieg gegeneinander an.

Weder die russische noch die ukrainische Bevölkerung hat etwas in diesem Abnutzungskrieg zu gewinnen. Es ist ein imperialistischer Krieg von beiden Seiten um Territorien und Einfluss, in dem die Herrschenden beider Länder den nationalistischen Hass auf die jeweils andere Seite schüren.

NATO-Ausdehnung

Der Krieg hat eine lange Vorgeschichte. Zwischen 1949 und 1989 entfachte der Kalte Krieg zwischen US-geführter NATO und russisch geführtem Warschauer Pakt einen Rüstungswettlauf, der mehrfach die Welt an den Rand des Atomkriegs führte. Im Westen hieß es, die NATO sei lediglich die Antwort auf die Bedrohung aus dem Osten.
Nachdem erst der Warschauer Pakt und dann die russisch dominierte Sowjetunion auseinanderbrachen, erwies sich das als Lüge. Die NATO löste sich nicht nur nicht auf, sondern dehnte sich aus. 1999 schlossen sich mit Polen, Tschechien und Ungarn Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts der NATO an, 2004 schließlich die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Im gleichen Zeitraum errichteten die USA Militärbasen in verschiedenen zentralasiatischen Republiken, die wie die baltischen Staaten einst Teil der Sowjetunion waren.

Die Logik war ganz einfach: Wenn Russland den Westen nicht mehr bedroht, dann muss man die Schwäche ausnutzen. Russlands sah sich zusehends militärisch eingekreist. Die NATO ist ein Militärbündnis, das genauso aggressiv agiert wie Putins Russland.

Georgien 2008

Der Wendepunkt kam 2008. Die russische Wirtschaft hatte sich durch die Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft erholt. Die auseinandertreibenden Interessen der russischen Oligrachen wurden unter Präsident Putin durch die Etablierung eines zentralistischen, autoritären Regimes eingehegt.

Als die Ukraine und Georgien auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest einen Antrag auf Mitgliedschaft stellten und auch in Aussicht gestellt bekamen, reagierte Moskau das erste Mal scharf. Die russische Armee griff Georgien an und unterstützte mit Abchasien und Süd-Ossetien die Bildung von zwei abtrünnigen Republiken auf dem Territorium des Landes. Putin erreichte sein Ziel: Eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens rückte in weite Ferne, da das transatlantische Bündnis kein Land mit ungeklärten Territorialfragen aufzunehmen bereit war.

Ukrainekrieg

Der Konflikt in der Ukraine folgt derselben Logik. Nachdem 2014 die Ukraine in die westliche Einflusssphäre zu fallen drohte, reagierte Putin mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der Unterstützung von Sezessionsbestrebungen in den östlichen Provinzen Luhansk und Donezk. Der Konflikt wurde durch zwei Abkommen in Absprache zwischen Deutschland, Frankreich und Russland (Minsk I und II) zwar „eingefroren“, aber nie gelöst. Zwischen 2014 und 2022 starben geschätzt 14.000 Menschen in einem Krieg „niederer Intensität“ im Osten der Ukraine, in dem russische wie ukrainische Nationalisten stets nach Geländegewinnen jenseits der Demarkationslinie trachteten.

Die Niederlage der NATO im Afghanistankrieg im Jahr 2021 hat Putin ermutigt, Bedingungen an den Westen zu stellen. Er verlangte Garantien von der NATO, dass die Ukraine künftig nicht dem westlichen Militärbündnis beitreten werde. Diese Garantien war der Westen nicht bereit zu geben. Russland reagierte, wie es imperialistische Mächte tun und griff an. Es ist ein Kräftemessen zwischen imperialistischen Blöcken, in dem die Bevölkerung der Ukraine nur die Rolle von Statisten zugebilligt wird.

Heute verläuft die Risslinie zwischen den imperialistischen Blöcken quer durch die Ukraine, sowie sie vor 1990 quer durch Deutschland verlaufen ist. Die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Nationalstaaten macht einen dauerhaften Frieden unmöglich. Das Ende des Kalten Krieges hat nur zum Kampf über die Neuaufteilung der Einflusssphären geführt.

Räuber auf beiden Seiten

Derweil richten sich beide Seiten auf einen lang andauernden Konflikt ein. Russland hat auf die ganze Wirtschaft des Landes auf die Bedürfnisse des Krieges umgestellt. Die USA haben am Rande des G7-Gipfels im Juni mit der Ukraine ein Abkommen abgeschlossen, wonach sie zehn Jahre lang militärische Unterstützung gewähren wollen. Eine neue Rüstungsfabrik in Texas soll in Kürze pro Monat 30.000 Artilleriegranaten für die amerikanischen Howitzer-Geschütze liefern, von denen die ukrainische Front abhängt – eine Verdopplung der derzeitigen US-Lieferungen. Und: Das ukrainisch-amerikanische Abkommen ist nur eines von mindestens 31 bilateralen „Sicherheitsabkommen“, die zwischen der Ukraine und ihren Bündnispartnern vereinbart worden sind oder vor dem Abschluss stehen.

Die G7-Staaten haben der Ukraine insgesamt 50 Milliarden Euro an Krediten in Aussicht gestellt. Finanziert werden soll dies aus den Zinsen des russischen Vermögens in Höhe von 280 Milliarden Euro, das auf europäischen Bankenkonten eingefroren worden ist. Dies ist glatter Diebstahl. Für diese Politik gibt es ein Vorbild: Nach der Niederlage der NATO 2021 in Afghanistan rächten sich die westlichen Regierungen, in dem sie einfach die auf ihren Banken eingefrorenen Gelder des afghanischen Staates einzogen und für eigene Zwecke verwendeten.

Die verdeutlicht zwei Dinge. Erstens, dass der Ukrainekrieg einen räuberischen Charakter trägt – auf beiden Seiten. Und zweitens, dass die Imperialisten der Ukraine nur die Wahl zwischen der Unterwerfung unter die russische Okkupation oder die Finanzknechtschaft unter die westlichen Vormächte anbieten.

 


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