Breaking

Der Riesa-Effekt – Antifaschismus wirkt!

Faschismus & Antifaschismus / 23. Januar 2025

Am 11. Januar protestierten 15.000 Menschen gegen den AfD-Bundesparteitag. Dessen Beginn verzögerte sich deshalb um zwei Stunden. Ein erster Erfolg: Noch nie konnte ein AfD-Bundesparteitag so lange blockiert werden. Seither manifestiert sich die Wut und der Widerstand gegen den Aufstieg der Faschisten in ganz Deutschland.

Von Victoria Berger

Im sächsischen Riesa schrieb die Anti-AfD-Bewegung am 11. Januar Geschichte. Aus ganz Deutschland reisten entschlossene Antifaschistinnen und Antifaschisten in mehr als 200 Bussen an – mit dem Ziel, den Parteitag der AfD zu verhindern.

Als bei Minusgraden die Sonne in der 30.000 Einwohner-Stadt aufging, war Riesa bereits nahezu komplett abgeriegelt durch Blockaden rund um die Stadt. Sie wurden jeweils von Tausenden gehalten, teils bis in den Nachmittag. Gegen Polizei-Einsatzkräfte, die alles taten, um den Rechten den Weg frei zu prügeln.

11. Januar, 10 Uhr: Leere Halle in Riesa – die AfD-Delegierten stecken noch in den Blockaden fest

Riesa war ein Fortschritt für die antifaschistische Bewegung: Noch nie konnte ein AfD-Bundesparteitag so lange blockiert werden.

Über zwei Stunden blieben die Hallen der Faschisten leer – das Bild der leeren Arena in Riesa, durch die nur vereinzelte AfDler irrten, löste eine Welle der Begeisterung und des Optimismus aus.

AfD-Umfragewerte

Zuletzt befand sich die AfD im ungebrochenen Aufwind. Den Zuspruch bescherten ihr vor allem die Hetze gegen migrantische Menschen und Geflüchtete über nahezu alle deutschen Parteilager hinweg insbesondere nach dem Anschlag in Magdeburg, die Geschehnisse um „Volkskanzler“ Kickl in Österreich und der Support des reichsten Rechten der Welt Elon Musk. Ende Januar geben das erste Mal die Umfragewerte der AfD leicht nach – auch das ist ein Ergebnis des Riesa-Effekts.

Medien berichten

Die Demontrationen wurden möglich, da immer mehr Menschen erkennen: Bei der AfD handelt es sich um eine faschistische Partei. In Riesa war das auch in den Protesten zu spüren. Es gab ein Gefühl der Einheit und Entschlossenheit gegen die aufkommende Gefahr.

Die antifaschistischen Proteste haben auch die Berichterstattung beeinflusst. Viele Medien berichteten über die lebendigen, vielfältigen Gegendemos. Sie setzten so einen klaren Kontrapunkt gegen die Selbstinszenierung der Partei und ihrer Spitzenkandidatin Weidel.

Auch wurde über die eskalierende Polizeigewalt berichtet. Insbesondere der Fall des aus Riesa stammenden Linke-Landtagsabgeordneten Nguyen ging durch die Medien. Er war trotz des besonderen Schutzstatus, den parlamentarische Beobachter auf Demonstrationen eigentlich genießen, von einem Polizisten bewusstlos geschlagen worden.

Von 400 auf 15.000

Im Jahr 2022 gab es schon einmal einen AfD-Bundesparteitag in Riesa. Damals befand sich die AfD noch im letzten Häutungsprozess hin zu einer faschistischen Partei. Sie entschied 2022, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu rechtsextremen Straßenbewegungen und offenen Neonazis aufzuheben – Verbindungen, die seither gestärkt und aktiviert werden konnten. Trotzdem demonstrierten damals nicht mehr als 400 gegen die AfD in Riesa.

Dieses Jahr kamen 15.000. Alice Weidel höchstselbst fand nur mit viel Verspätung den Weg in die Hallen. Ein Bus der „Jungen Alternative“ musste umdrehen. Das Auto des rechtsextremen Brandenburger Fraktionsvorsitzenden Berndt – bekannt geworden mit der Äußerung ‚Remigration sei kein Geheimplan, sondern ein Versprechen‘ – wurde blockiert und mit linken Stickern übersät.

Zwar konnte die AfD ihren Parteitag schließlich doch noch beginnen und ihre „Remigrationspläne“ und rassistischen Deportationsfantasien konkretisieren. Aber: Das war nur mit massiver Verspätung und unter Einsatz von brutaler Polizeigewalt möglich, während tausende mutige Antifaschisten die Stadt bei Minusgraden stundenlang nazifrei hielten. Die Bilder der leeren Halle und der bunten Masse von Gegendemonstranten gingen durch die Presse.

Riesa war nicht das erhoffte Zeichen der Stärke im Bundestagswahlkampf für die AfD, sondern ein peinliches Fiasko für die Faschisten. Und der Riesa-Effekt hält an.

Welle des Widerstands

In ganz Deutschland ist die Wut über den Aufstieg der AfD greifbar und nimmt nun selbstwirksam Form an – mittels Widerstand und Protest in direkter Konfrontation mit den Nazis im Parlament und auf der Straße.  Aus dem fühlbaren Hoch der Bewegung sehen wir seit Riesa eine Welle des Widerstands gegen Wahlkampfauftritte der AfD und die Straßenaufmärsche ihrer Nazi-Freunde.

In Hamburg wollte Kanzlerkandidatin Alice Weidel im Rathaus eine Rede halten. Dagegen protestierten 16.000 Menschen unter dem Slogan „Alice Weidel verhindern!“ Eine bunte Mischung als linken Gruppen, Vereinen, Gewerkschaften und Parteien hatte mobilisiert.

Die Teilnehmerzahl übertraf die Erwartungen der Anmelder um ein Vielfaches. Weidels Luxushotel, in das sie unter falschem Namen einchecken wollte, verwehrte ihr den Zutritt: Theater und Kultureinrichtungen plakatierten „Kein Platz für Nazis“.

Im Rathaus schockierte Weidel mit dem kruden Nazivergleich „Diese Massenausschreitungen von den Linken erinnern gerade uns Deutsche an unsere dunklen Zeiten, an die Zeiten des Totalitarismus im Dritten Reich. Da hatten wir die schlagende SA, die auch auf Andersdenkende eingeschlagen hat.“

Eine hetzerische Absurdität, skandieren doch zum Beispiel AfD-Anhänger selbst seit einigen Monaten selbstbewusst „Alice für Deutschland“ – und knüpfen damit ganz offen an die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland!“ an, wegen der Björn Höcke bereits verurteilt wurde.

Am 18. Januar wollten Neonazis aus ganz Ostdeutschland zusammen mit den Freien Sachsen und der Identitären Bewegung durch die Innenstadt von Chemnitz marschieren gegen den Auftakt von Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas. Mehr als 1.000 Menschen stellten sich ihnen bei der vom DGB und anderen Initiativen angemeldeten Aktion entgegen und hätten den Aufmarsch wohl verhindern können, wenn die Polizei den Rechten nicht den Weg freigeräumt hätte.

In Aachen sorgten mehr als 8.000 Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen 80 Neonazis, die unter dem Motto „für Recht und Ordnung, gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ aufmarschieren wollten, für eine Niederlage auf ganzer Linie.

Keine Illusionen in Verbotsverfahren

Die Wirksamkeit beweist sich in der Praxis – gerade auch im Kontrast zu den aktuellen parlamentarischen Bemühungen rund um ein AfD-Verbotsverfahren. Es wäre ein gefährlicher Irrweg, wenn wir uns jetzt darauf verlassen würden, dass die AfD verboten wird. Einerseits lähmen Illusionen in Verbote die Bewegung. Andererseits würde ein Verbotsverfahren viele Jahre in Anspruch nehmen – Erfolgsaussichten unklar. Diese Zeit haben wir nicht.

Wir müssen der faschistischen Bewegung entgegentreten, bevor sie zu einer unaufhaltsamen Lawine wird. Und nicht zuletzt können wir uns als Antirassistinnen und Antifaschisten nicht auf einen Staat verlassen, dessen Polizei massenhaften Protest gegen rechts bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit kleinhält, niederschlägt und drangsaliert während den Nazis die Straße frei geräumt wird.

Den Nazis die Maske herunterreißen

Die AfD schwankt in der Außendarstellung. Sie will ihre Maske als vorgeblich demokratisch legitimierte Partei wahren. Gleichzeitig lässt sie immer wieder ihre Absicht erkennen, nach der Übernahme der Macht gewalttätig vorzugehen: gegen Linke, Gewerkschaften, Minderheiten und alle, die nicht in ihr Bild einer neuen Volksgemeinschaft passen.

Ihre Deportationspläne, die Alice Weidel explizit in Riesa als „Remigration“ verkündete, sind nur mit massivem rechtem Terror umsetzbar.

Doch nicht jeder AfD-Wähler teilt den Wunsch des harten Kerns der Partei nach einer faschistischen Diktatur. Daher ist die rechte Bewegung anfällig für Spaltungen. An diesem Widerspruch zwischen dem Kern und dem Umfeld der AfD gilt es anzusetzen.

Das geht nur durch Druck von außen: Gemeinsam kann die Linke den AfD-Nazis auf der Straße die Maske herunterreißen. Der antifaschistische Wahlkampf ist im vollen Gange.


Schlagwörter: , ,








Previous Post

Der deutsche Kapitalismus in der Krise

Next Post

Österreich: Faschist Kickl vor Übernahme der Regierungsgeschäfte





You might also like


More Story

Der deutsche Kapitalismus in der Krise

Die Marktwirtschaft spielt verrückt: Massiver Stellenabbau trotz „Fachkräftemangel“ Diese Woche treffen sich die Herrschenden...

22. January 2025