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Was steckt hinter Trumps Friedensplan?

Palästina & Israel / 11. Oktober 2025

Internationaler Massendruck fügt Israel politische Niederlage zu – doch Netanjahus Teilrückzug ist trügerisch

Die Nachricht über die Einigung auf einen Waffenstillstand und einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas wurde im Gazastreifen mit großer Erleichterung und Jubel aufgenommen. Netanjahus Regierung zieht die Truppen aus den Städten des Gazastreifens ab. Doch Trumps neuer Plan ist kein Grund zum Feiern. Er soll diplomatisch das erreichen, wo Netanjahu militärisch nicht weiterkam, meint Jan-Christoph Pfeiffer.

In Gaza wird gejubelt. Nach zwei Jahren Bombardierung und dem Versuch der israelischen Streitkräfte, die palästinensische Bevölkerung durch Hunger, Tod und Entwurzelung schließlich irgendwie aus dem Land zu vertreiben, fühlt sich die Aussicht auf eine Waffenruhe und eine Aufhebung der Hungerblockade wie ein Sieg an.

Doch es mischt sich bei vielen Skepsis und Angst in die Erleichterung. Trump hatte am Mittwoch den „historischen Durchbruch“ verkündet, doch die israelischen Streitkräfte (IDF) bombardierten weiter und töteten in den folgenden 24 Stunden erneut zehn Menschen. Nun, da der Rückzug der IDF in eine Pufferzone begonnen hat, müssen sie feststellen, dass die „Pufferzone“ mehr als 50 % des Gazastreifens umfasst.

Trump selbst löste genozidalen Feldzug aus

Die Menschen kehren nun aus dem Süden in den zerstörten Norden zurück. Im neuen Trump-Plan heißt es, „niemand wird gezwungen, Gaza zu verlassen“. Das ist ein Erfolg.

Es ändert nichts an einer Tatsache: Zu Beginn des Jahres war es niemand anderes als US-Präsident Trump selbst, der den jüngsten Vertreibungsversuch durch die israelischen Streitkräfte ausgelöst hatte.

Trump hatte anlässlich des Antrittsbesuches von Israels Regierungschef Netanjahu in Washington erklärt, der Gazastreifen sei zerstört. Deshalb würden die USA ihn „übernehmen“, um ihn in eine „Riviera“ am Mittelmeer zu machen. Zwischenzeitlich müssten die über 2 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser „woanders untergebracht“ werden.

Dies nutzte die israelische Regierung, um den damals bestehenden Waffenstillstand zu brechen. Am 18. März begann sie ihren barbarischen Feldzug mit dem Ziel, den Gazastreifen unbewohnbar zu machen und so die Bevölkerung „loszuwerden“ – entweder durch Bomben, Hunger oder Flucht.

Die Konsequenzen dessen war ein Krieg, den selbst eine UN-Kommission als „Völkermord“ definierte.

Gazas einzige Verbündete: Massenproteste

Vor dem Hintergrund des Grauens und den wachsenden Massenprotesten weltweit kam Israels Regierung jüngst immer mehr unter Druck. Der Mut von Greta Thunberg und 470 anderen Aktiven aus 44 Ländern, die mit 42 Booten und Hilfsgütern an Bord die Seeblockade durchbrechen wollten, hat den Widerstandswillen beflügelt. In Solidarität mit ihrer Hilfsflottille aus Segelbooten, die von israelischen Kräften schließlich gekapert worden ist, gab es allein in Italien im September zwei landesweite politische Streiks mit bis zu einer Million Beteiligter.

In Genua trafen sich Ende September Vertreter von Hafenarbeitergewerkschaften aus Europa und Marokko, um Arbeitskampfaktionen zur Durchsetzung eines Einfuhrstopps nach Israel zu koordinieren.

10. Oktober 2025, Streik in Griechenland (Bild: SEK)

In Griechenland kam es daraufhin gestern zu Massenstreiks unter dem Motto „Entwaffnet die Zionisten jetzt, nicht die palästinensischen Kämpfer!“

Nun haben die spanischen Gewerkschaften ihrerseits für den 15. Oktober Arbeitskampfaktionen gegen die Zusammenarbeit mit Israel angekündigt.

Der Druck war so stark, dass die EU-Kommission im September ein Paket zur Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel vorlegte. Netanjahu hielt eine Rede, in der er die israelische Bevölkerung auf eine dauerhafte internationale Isolation vorbereitete. Israel würde ein „Super-Sparta“ werden – also eine technisch fortgeschrittene, extrem hierarchische Militärmacht, ohne internationale Freunde. Die Börse in Tel Aviv stürzte daraufhin ab.

Netanjahu verliert politisch

Nachdem Netanjahu den US-Verbündeten Katar angriff, um die Chefverhandler der Hamas zu ermorden, überschritt er eine Linie. Er wurde zur Belastung für die USA. Trump sah sich veranlasst, Netanjahu dazu zu zwingen, vorerst von einer „militärischen Lösung“ für Gaza Abstand zu nehmen. Ergebnis ist sein 20-Punkte-Plan mit einer vorläufigen Waffenruhe und die Hoffnung, dass nun wieder Hilfsgüter ins Land kommen.

All das wäre nicht passiert, wenn der Massendruck von unten nicht die Herrschenden in den verbündeten Staaten Israels zum Handeln getrieben hätte. Kurzum: Die „Super-Sparta“-Rede signalisierte, dass Israel dabei war, den Krieg zu verlieren – nicht militärisch, sondern politisch.

Es geht um die Rückgewinnung der Kontrolle

Der neue 20-Punkte-Plan, den Trump Ende September vorstellt, zielt darauf ab, diplomatisch das zu erreichen, was es die israelischen Streitkräfte trotz immenser Übermacht in zwei Jahren militärisch nicht geschafft haben: den palästinensischen Widerstand zu entwaffnen, die israelischen Geiseln zu befreien, und zugleich der globalen Solidaritätsbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Das Ziel bleibt dasselbe: Es geht um die militärische und politische Kontrolle des Gazastreifens nach Vorbild der Situation im Westjordanland. Dort wurden „Pufferzonen“ zu Siedlungen, die wiederum mehr Pufferzonen brauchen. Eine palästinensische Autonomiebehörde, die als verlängerter Arm Israels fungiert und die eigene Bevölkerung am Widerstand hindert übernimmt langfristig das Management des Elends. Neoliberale Reformprojekte, die Aufbau versprechen und noch mehr Armut und Perspektivlosigkeit bringen, füllen die Taschen reicher Investoren. Derweil wächst die Zahl der israelischen Siedlungen unaufhörlich, von denen immer neue Terroraktionen gegen ihre palästinensischen Nachbarn ausgehen.

Ungewissheit über Phase 2

Tatsache sieht der neue Plan nicht viel anders aus als das, was unter dem Druck von Trumps Vorgänger Joe Biden am Ende dessen Amtszeit im Januar 2025 erreicht worden ist. Auch der Biden-Plan führte zunächst in Phase 1 zu einem Waffenstillstand, einen Gefangenenaustausch und dem Rückzug der israelischen Truppen. Als sich die Lage änderte, erklärte die israelische Regierung, die Hamas würde sich nicht an Phase 2 halten und griff wieder an.

Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza sind bereits mehrheitlich im Süden zusammengepfercht. Wenn der Plan so umgesetzt wird, wie er derzeit auf dem Verhandlungstisch liegt, garantiert niemand, dass Israel nicht erneut den Übergang in Phase 2 blockiert. Heißt: Sobald die die israelischen Geiseln zurück sind, die Armee wieder vorrücken lässt.

Oder, dass nach Niederlegung der Waffen durch die Hamas in Phase 2 die Bevölkerung weiter von Ort zu Ort geschoben wird – um Platz für israelische Siedlungen oder Trump-Tower zu schaffen. Ziel des neuen Plans ist es, die Menschen vor Ort zur Verfügungsmasse der USA und Israel zu machen, ohne jeden organisierten Widerstand.

Willkür droht

Der Waffenstillstand ist ein Punktsieg, der sich schnell in sein Gegenteil verkehren kann. Dass die Vertreibungspläne für den Moment vom Tisch sind und sich die USA überhaupt genötigt sehen, Verhandlungen dem Dauerbombardement vorzuziehen, ist auf den Druck der weltweiten Solidaritätsbewegung zurückzuführen.

Dass die Hamas in der Geiselfrage und in der Frage einer Nachkriegsregierung mit sich verhandeln lässt, ist seit langem die Position der Organisation. Obwohl die Solidaritätsbewegung international auf einem Allzeithoch ist, ist der bewaffnete Widerstand in Gaza derzeit über allen Maßen geschwächt. Das erklärt die Verhandlungsbereitschaft der Hamas. Und dennoch öffnet eine Einigung, die einseitig die Entwaffnung der Organisation zur Bedingung macht, amerikanischer und israelischer Willkür Tür und Tor.

Bundesregierung will Widerstand brechen

Auch die Koalition in Berlin ist erleichtert. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss, Armin Laschet (CDU), jubelte: Trumps Plan sei eine „diplomatische Meisterleistung“. Kanzler Merz, der vor kurzem noch verbal auf Distanz zu Netanjahu ging, erklärte nun: Wenn der Plan Trumps aufginge, dann „gibt es keinen Grund mehr, jetzt für Palästinenser in Deutschland zu demonstrieren. Es ist dann Frieden in Gaza und das ist eine gute Nachricht.”

Er bringt damit im Umkehrschluss zum Ausdruck, dass die Massenproteste – mit zuletzt über 100.000 allein auf den Straßen Berlins – die Bundesregierung in die Defensive gebracht haben. Seitdem versucht sie und die Landesregierungen alles, um die Welle des Protests zu brechen.

In Berlin verprügelte die Polizei am 7. Oktober, den zweiten Jahrestag des Beginns des Gazakrieges, brutal propalästinensische Demonstranten, nahm zahlreiche Festnahmen vor und sprach pauschale Aufenthaltsverbote an öffentlichen Orten für Menschen aus, die das palästinensische Halstuch – die Kufiya – trugen. Das Brandenburger Tor wurde an dem Tag demonstrativ in den Farben der israelischen Nationalfahne angestrahlt.

Merz hofft, dass diese Mischung aus Repression und Propaganda in Verbindung mit Illusionen in den neuen Trump-Plan ausreicht, um den Widerstand zu brechen. Die Bundesregierung will in punkto Israel wieder in die Offensive kommen.

In der Folge stellte er den – ohnehin nur halbherzigen – Waffenexportstopp nach Israel öffentlich in Frage, offenbar um die Reaktionen zu testen. Der Koalitionspartner, die SPD, widersprach nicht.

Widerstand bleibt Gebot der Stunde

Dem halten wir entgegen: Jeder Moment, in dem keine Bomben auf die Menschen in Gaza prasseln, ist begrüßenswert. Doch was Trump vorschlägt ist kein Frieden, sondern Unterwerfung der Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza unter die Knute der USA und Israels.

Wenn die vergangenen Wochen eines gezeigt haben, dann, worauf unsere Herrschenden wirklich reagieren: Druck von unten, ob aus Italien, Griechenland, Marokko, Spanien oder Deutschland. Dieser Druck muss aufrechterhalten werden und wird dann effektiv, wenn Gewerkschaften den Umschlag von Waren und Rüstungsgütern nach Israel behindern.

Die Solidarität mit dem Widerstand der unterdrückten palästinensischen Bevölkerung gegen die kolonialen Besatzer ist und bleibt das Gebot der Stunde.


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