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Baut Trump die USA in eine Diktatur um?

International / 5. November 2025

Wie die Spaltung der herrschenden Klasse den Klassenkampf anheizt

Der Wahlsieg von Zohran Mamdami bei den Bürgermeisterwahlen in New York hat weltweit Schlagzeilen gemacht – ebenso wie die hasserfüllte Reaktion des US-Präsidenten. Mamdani verspricht Sozialreformen, Trump droht mit Konsequenzen. Grund genug zu fragen, wohin die USA unter Trump treibt. In den deutschen Medien wurde er bislang als Populist dargestellt, der sich alles erlauben könne, weil er sich auf breite Sympathien unter den einfachen Leuten stützen könne. Tatsächlich polarisiert Trump – und zieht immer mehr Hass aus der arbeitenden Klasse auf sich, meint Jens Feldmann.

Die Entwicklung in den USA ist alarmierend. Als Präsident Trump im Oktober die Entsendung von Militär nach Chicago anordnete, war sie bereits die fünfte Stadt, in die er seit Amtsantritt im Januar Truppen schickte. Er rechtfertigte diese Maßnahme mit einem »Krieg im Innern« und berief sich dabei auf das Insurrection Act (dt. Aufstandsgesetz) von 1807. Das gibt dem Präsidenten die Vollmacht, das Militär im Inland für die Bekämpfung von Aufständen einzusetzen.

Das Attentat auf den rechten Influencer Charlie Kirk im September kam für Trump gerade recht. Kirk gehörte zu jenen, die nicht nur die eigene Internetpräsenz für Hass und Hetze gegen Minderheiten nutzte. Er gründete im Jahr 2012 ›Turning Point USA‹, der vor allem unter jungen Leuten eine wichtige Basis für den Aufstieg von Trump innerhalb der Republikanischen Partei bildete. Kirk rühmte sich, 80 Busladungen voll »Patrioten« im Januar 2021 nach Washington gebracht zu haben, die dann am Sturm auf das Capitol, das amerikanische Parlament, beteiligt waren.

Klima der Angst

Nach Kirks Tod haben Trump und seine Minister eine Hatz auf alle veranstaltet, die nicht in die verordnete Trauer einstimmten. Das betrifft das Militär, in der Soldaten massenhaft diszipliniert wurden. Aber auch die Bildungseinrichtungen. So berichtete Andrew Spar, Lehrer und Gewerkschaftsführer aus Florida, dass in den Schulen die Angst umgeht. Viele Lehrkräfte übten Selbstzensur, um Konflikten zu entgehen.

In den Medien wird in aller Regel auf Trumps narzisstischen Charakter verwiesen, um all das zu erklären. Doch Trump steht nicht allein. Tatsächlich scheint er ein ganzes Programm abzuarbeiten – das ›Project 2025‹.

Drehbuch eines autoritären Umbaus

Im April 2023 wurde das Project 2025 veröffentlicht. Herausgegeben von der Heritage Foundation, einem rechten Think Tank, handelt es sich dabei um ein politisches Programm für den Umbau des Staates hin zu einem autoritären Präsidialsystem. Kernpunkt: Der Präsident soll die vollständige Kontrolle über die gesamte Exekutive haben – also Regierung, Polizei, Militär. Der Einsatz bewaffneter Kräfte im Innern ist Teil dessen.

Außerdem sind in dem Programm Angriffe auf die Rechte von Frauen, Trans-Personen, Migranten und den Klimaschutz vorgesehen.

Diese politischen Attacken sollen die arbeitenden Klasse nicht nur spalten und gegeneinander ausspielen. Sie dienen vor allem als Rechtfertigung, um den Staatsapparat massiv auszudünnen und so Milliarden an Gehältern einzusparen.

Viele Punkte aus dem Project 2025 wurden bereits umgesetzt, so beispielsweise die Entlassungen von ca. 200 000 Bundesangestellten durch DOGE, einer eigens geschaffenen Agentur unter der Kontrolle von Elon Musk. Dies ging einher mit der Abschaffung von Diversity-Programmen und der Möglichkeit, seinen Geschlechtseintrag im Pass ändern zu lassen.

Das „Projekt 2025“ ist das Programm eines Teils der herrschenden Klasse in den USA, die nach außen unilateral, das heißt im Eins-gegen-Eins die eigene Stärke gegen alle anderen Länder der Welt ausspielen wollen. Im Innern wird dies ergänzt durch ein Vorgehen, dass auf die repressive Macht des Staates und das Ausspielen der Arbeitenden gegeneinander und gegen Schwächere setzt.

Trump hat den passenden Charakter, um dieses Programm durchzusetzen.

Der Abschiebeterror von ICE

Nichts verdeutlicht die Brutalität und zugleich das Risiko dieser Strategie mehr als das Vorgehen der Migrationsbehörde ICE. Sie wurde gestärkt und zu einer reinen Deportationsbehörde gemacht. Wie eine Geheimpolizei geht sie am Arbeitsplatz oder auf offener Straße gegen Migranten vor, um sie in Lager einzusperren oder nach El Salvador auszufliegen.

Seit der Amtseinführung von Trump wurden Tausende von neuen Agenten in der Abschiebebehörde ICE angeheuert, teilweise mit offensiven Werbekampagnen unter dem Titel »Defend your homeland«. In Chicago wurden gruselige Bilder erzeugt, als sich im September ICE-Agenten aus Black Hawk-Kampfhubschraubern abseilten, um in großen Wohngebäuden willkürlich Menschen festzunehmen und teilweise nackt aus ihren Wohnungen zu zerren.

Insgesamt wurden durch ICE und andere Bundesbehörden bereits über 450.000 Menschen in Abschiebehaft genommen, teils unter unmenschlichen Bedingungen und ohne ein Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren oder Rechtsbeistand – denn dieses Recht haben nach Auslegung der US-Regierung nur Menschen mit einer Staatsbürgerschaft.

Doch das Teile-und-Herrsche-Spiel Trumps funktioniert nicht reibungslos – im Gegenteil.

Es war der Abschiebeterror der ICE, der in Los Angeles und Portland massiv Proteste auslöste. Trump reagierte mit der Entsendung der Nationalgarde.

Spaltung der herrschenden Klasse

Die Entsendung bewaffneter Kräfte und entsprechende Drohungen richten sich fast nur gegen Städte und Bundesländer unter Kontrolle der Demokratischen Partei. Darin drückt sich nicht nur die parteipolitische Spaltung, sondern die Spaltung der herrschenden Klasse insgesamt aus. Dies drückt sich zum Beispiel im Justizapparat aus. Zunächst hatte ein Gericht den Einsatz der Nationalgarde in Portland untersagt, ein anderes aber später wieder möglich gemacht. Eines ist klar: Trump bereitet eine bewaffnete Reaktion vor, sollte sich der Krisenzustand verschärfen.

Im Oktober ließ er eine Task-Force mit Dutzenden Beamten aus der gesamten US-Regierung bilden, darunter auch Geheimdienstmitarbeiter, die ihn bei der »Vergeltung« gegen seine Feinde unterstützen.

Diese behördenübergreifende Arbeitsgruppe „Interagency Weaponization Working Group“ treffe sich mindestens seit Mai, berichtet Reuters. Demnach gehören der Gruppe unter anderem Beamte aus dem Weißen Haus, dem Büro der Nationalen Geheimdienstdirektorin (ODNI), dem CIA, dem Justiz und dem Verteidigungsministerium sowie dem FBI an.

Die Arbeiterklasse darf bluten

Trumps eitles Auftreten überstrahlt die ökonomischen Interessen hinter den Konflikten. Die wirtschaftliche Lage der amerikanischen Arbeiterklasse verschlechterte sich unter zuletzt. Die Arbeitslosenrate stieg von 4,0 Prozent im Januar auf 4,3 Prozent im August 2025 – den höchsten Stand seit 2021.

Besonders dramatisch: Die Arbeitslosigkeit unter jungen Hochschulabsolventen (20-24 Jahre) explodierte von 4,2 Prozent im April auf 9,3 Prozent im August. Die Inflation kletterte im August auf 2,9 Prozent – den höchsten Stand seit Januar.

Trumps Zölle treiben die Preise für Kleidung, Möbel und Haushaltsgeräte in die Höhe. Ein durchschnittlicher Haushalt verliert durch die Zölle nach den Berechnungen einiger Ökonomen kurzfristig etwa 2.400 Dollar im Jahr.

Auf der anderen Seite hat Trump mit seinem »Big Beautiful Bill« massive Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen durchgedrückt. Die aggressive Zollpolitik nach außen und die Repression nach innen wird begleitet durch ein Umverteilungsprogramm von unten nach oben.

Finanziert werden diese Steuergeschenke nämlich durch Sozialkürzungen und eine höhere Staatsverschuldung.

Die geplanten Sozialkürzungen bei der Sozialversicherung, Medicaid und Medicare werden Millionen treffen und insbesondere für ärmere Schichten der arbeitenden Klasse lebensgefährlich werden.

Im März 2025 verschickte die zentrale Personalbehörde der USA ein Memo an 18 Ministerien mit der Anweisung, ihre Tarifverträge mit Gewerkschaften zu beenden. Sie behauptete, Regierungsangestellte seien vom Gewerkschaftsrecht ausgeschlossen.

Der Angriff auf Bundesangestellte und Gewerkschaftsrechte zeigt, wohin die Reise geht: Trump testet an den öffentlichen Beschäftigten, die vom Streikrecht ausgeschlossen sind, wie weit er gegen organisierte Arbeiterinnen und Arbeiter gehen kann.

Widerstand von unten

Trotz der massiven Repression von oben formiert sich Widerstand in den USA. Bereits im Februar 2025 fanden über 2.000 Proteste statt – mehr als doppelt so viele wie im ersten Monat von Trumps erster Amtszeit. Besonders migrantische Communities wehren sich gegen ICE-Razzien mit ICE-Watch-Gruppen und Massenprotesten. Nach Trumps Verbot geschlechtsangleichender Behandlung für Jugendliche erzwangen Trans-Communities und ihre Unterstützer durch Massendemonstrationen die Wiederaufnahme der Behandlungen in mehreren Kliniken.

Am 1. Mai 2025 gab es die meisten May-Day-Aktionen in der US-Geschichte. Die Tesla-Takedown-Bewegung organisierte Proteste vor Tesla-Showrooms in hunderten Städten. Tesla-Verkäufe brachen ein, Musk verlor etwa 182 Milliarden Dollar – der größte persönliche Vermögensverlust der Geschichte. Er musste sich von DOGE zurückziehen – eine schmerzhafte Niederlage für das Regime Trump.

Im Oktober demonstrierten bei den No-Kings-Protesten in Hunderten Städten der USA insgesamt 7 Millionen Menschen.

Klassenkampf oder Wahlkampf

Bereits jetzt gibt es Streiks beim Flugzeughersteller Boeing. Andere Kämpfe um Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen werden durch das Ausdünnen der Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst geradezu provoziert. Die Frage ist nicht, ob es in den USA zu größeren Klassenkämpfen kommen wird, sondern ob sie am Ende ausschließlich in das Fahrwasser der Demokratischen Partei umgelenkt werden.

Neue Hoffnungsträger wie Zohran Mamdami, der die Bürgermeisterwahlen in New York mit sozialen Versprechen gewonnen hat, entwickeln eine enorme Ausstrahlungskraft. Doch bereits in der Vergangenheit erwies sich die Demokratische Partei als eine Sackgasse, in der die Hoffnungen schnell in Enttäuschungen umschlugen.

Ein Beispiel dafür war die Unterstützung von Joe Bidens Wahlkampf durch den linken Hoffnungsträger Bernie Sanders oder die Unterstützung von Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris durch das Squad, eine informelle Gruppe fortschrittlicher demokratischer Abgeordneter wie Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar, Ayanna Pressley und Rashida Tlaib.

Die Demokratische Partei zieht einen Teil der Hoffnungen des Widerstands auf sich, ist zugleich aber selbst nur politscher Arm eines anderen Teils der herrschenden Klasse.

Fakt ist: Unter Biden wurde mehr abgeschoben als unter Trump. Die Anti-China-Orientierung begann bereits unter dem demokratischen Präsidenten Obama.

Kein Grund zur Entwarnung

Trump würde die USA gern in eine Art Präsidialdiktatur unter seiner Führung mit demokratischer Fassade umbauen. Doch dafür fehlt ihm die Unterstützung eines relevanten Teils der herrschenden Klasse, der sich durch ihn nicht repräsentiert sieht – und die zugleich Angst vor der sozialen Destabilisierung hat, die Trumps Politik auslöst.

Das ist aber kein Grund zur Entwarnung. Trump und Musk geben der weltweiten extremen Rechten Aufschwung. Die Klassenkämpfe in den USA können ihrerseits der globalen Linken einen wichtigen Anstoß geben.

In den USA zieht ein Klassenkrieg herauf, dessen Ausgang die politischen Kräftegleichgewichte in vielen anderen Ländern mit beeinflussen wird.


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